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consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #9 - 15.04.2022

 

consilium – der Pädiatrie-Podcast

mit Dr. Axel Enninger

consilium Podcast mit Dr. Axel Enninger

 

Die Glut in der Lunge kühlen – Steroide in der Asthma-Therapie

 

Axel Enninger: Heute zu Gast: DR. MARCUS DAHLHEIM.

 


 

DR. AXEL ENNINGER…

… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.

Axel Enninger: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Mein Name ist Axel Enninger. Ich bin Kinder- und Jugendarzt und leite eine Abteilung der Kinderklinik des Klinikums Stuttgart, dem Olgahospital, in Stuttgart besser bekannt als dem Olgäle. Mein heutiger Gast ist der erste Gast, der ein zweites Mal kommt. Dr. Marcus Dahlheim ist auch Kinder- und Jugendarzt und Kinder-Pneumologe und ‑Allergologe und hat eine große Praxis in Mannheim. Herzlich willkommen, Marcus.

Marcus Dahlheim: Hallo Axel, danke für die zweite Einladung.

Axel Enninger: Ja, zweite Einladung. Ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser zweiten Einladung? Wir haben uns beim ersten Mal über chronischen Husten unterhalten und haben dann festgestellt, als wir beim Thema der Asthmatherapie waren, dass man sich über bestimmte Aspekte noch mal und länger und ausführlicher unterhalten könnte. Und das wollen wir heute tun.

Marcus Dahlheim: Ja, gerne. Also über das Thema Asthma kann man fünf- oder sechsmal reden und es wird nicht langweilig, wenn man es immer von verschiedenen Seiten aus betrachtet.

Axel Enninger: Okay, also jetzt bleiben wir mal bei der zweiten Einladung. Mal schauen, ob eine dritte daraus wird. Du hattest beim letzten Mal unter der großen Überschrift „chronischer Husten“ die zwei wesentlichen Unterscheidungen gemacht „trockener Husten“ und „feuchter Husten“. Und beim Thema trockener Husten war dir das Thema Asthma besonders wichtig. Ich erinnere mich, du hattest eine Beschreibung für das, was pathophysiologisch passiert, auf das ich jetzt nicht mehr ganz komme. Aber ich weiß noch, es hat mich sehr beeindruckt. Sag noch mal, wie du die Pathophysiologie beschreibst.

 

Die entzündete Schleimhaut ist die Glut, Allergie oder Infekt der Brandbeschleuniger

Marcus Dahlheim: Na ja, man muss es den Eltern und den Kindern ja immer so beschreiben, dass sie es verstehen. Ich male da immer so gedanklich das Bild einer Glut eines Grills mit glühenden Kohlen darin. Das ist dann die entzündete Schleimhaut beim Asthma, die einfach aufgrund von Anlage – oder irgendetwas – chronisch entzündet ist. Dann kommt der Auslöser darauf, sei es allergisch oder ein Infekt. Und dieser Auslöser ist der Brandbeschleuniger, Spiritus oder Benzin, was man in den Grill kippt oder besser nicht reinkippen sollte, aber in dem Fall das Ganze aufflammen lässt. Das führt zum Husten, führt zur Bronchokonstriktion. Auf Deutsch dann für die Eltern: „Die Atemwege verengen sich“, und das macht die Symptome. Das Feuer, also die Glut als Basis, ist da. Das Feuer flammt auf durch die Auslöser und dann kriegt man die Symptome.

Axel Enninger: Unser Thema heute sind ja die inhalativen Kortikosteroide. Die übernehmen jetzt beim Asthma welche Rolle?

 

Inhalative Kortikoide als Rasensprenger

Marcus Dahlheim: Genau, das ist die Überleitung. Also wir haben die Auslöser: den Brandbeschleuniger. Und wie kriegen wir das Asthma in den Griff? Und dann überlegen die Eltern immer kurz, so dass sie so ein bisschen eine Spannungskurve durchlaufen, und dann erkläre ich, wir müssen die Glut löschen. Wenn die Glut gelöscht ist, wenn die Kohlen nass sind, dann trifft der nächste Auslöser, sei es das Allergen, auf nasse Kohlen und was passiert? Im besten Falle nichts, aber in jedem Fall deutlich weniger, als wenn vorher schon eine deutliche Glut da ist und das Feuer richtig losbrennen kann. Dieser Feuerlöscher – ich sage oft auch Rasensprenger, weil es ja eigentlich eine ganz kleine Dosis ist, wenn wir an die inhalativen Kortikosteroide denken – dieser Rasensprenger, der macht die Kohlen nass. Aha. Da gucken die Eltern immer schon und verstehen so ein bisschen. Mhm. Und dann passiert nicht mehr viel.

Axel Enninger: Okay. Das heißt, wir benutzen jetzt einen Rasensprenger, um das Asthma zu behandeln, und dieser Rasensprenger sind inhalative Kortikosteroide. Jetzt kann man ja sagen, wenn da dauerhaft ein Feuer ist, also wenn ich ein Asthma habe, willst du mir jetzt sagen, der Rasensprenger muss dauerhaft benutzt werden? Über welche Therapiedauer reden wir denn da?

Marcus Dahlheim: Genau das muss man den Eltern sagen, dass man zunächst mal längerfristig behandelt und der Rasensprenger eben nicht das Löschflugzeug ist, das man beim Waldbrand einsetzt. Das heißt es dauert. Das heißt, wenn ich jetzt rein mit Kortison inhaliere, dann kann ich ja schon mal rechnen, eins, zwei Wochen kann es mal locker dauern, bis eine Wirkung kommt, wenn ich jetzt nur das Kortison einsetze, deswegen der „Rasensprenger“. Und dann kommt es auf die Situation an, ob ich jetzt vier Wochen, acht Wochen, zwölf Wochen oder zwölf Monate im Hinterkopf habe. Was zu inhalieren ist, das ist sehr unterschiedlich. Also zum Beispiel der Birkenpollen-Allergiker, der nur im April Probleme hat, einfach gesprochen, der muss natürlich nur im April inhalieren, das wissen wir ja meistens vorher. Während der Hausstaubmilben-Allergiker mit schwierigem Asthma natürlich eher ganzjährig inhalieren muss.

Axel Enninger: Okay. Der Kinder- und Jugendarzt in mir, der sich normalerweise nicht mit Asthma beschäftigt, sieht nur immer, dass es jede Menge unterschiedliche inhalative Kortikosteroide gibt, unterschiedliche Rasensprenger. So wie ich im Baumarkt stehe, gibt es unterschiedliche Firmen. Es gibt welche, die sprengen viel. Es gibt welche, die sprengen wenig. Bleib doch mal bei dem Bild und versuch mal mir als Laien zu erklären, was der Unterschied bei den vielen inhalativen Kortikosteroiden ist.

Marcus Dahlheim: Also, ich fange erstmal bei einer kleinen Problematik an, dass wir als Kinderärzte – das ist unser Thema – meistens off label arbeiten, das heißt, die meisten inhalativen Kortikosteroide sind gar nicht zugelassen oder erst ab einem Alter von fünf oder sechs. Darauf können wir nachher noch einmal vertiefend eingehen. Aber jetzt betrachten wir doch einfach mal die Wirkstoffe. Was haben wir? Wir haben Beclometasondipropionat, was übrigens ein Pro-Drug ist, das im Körper umgebaut wird zu Monopropionat. Also wir haben das Beclometason, das gibt es als Spray, als Pulver und das gibt es in Kombination mit langwirksamen Weitmachern. Das Gleiche gilt für das Budesonid, das ist das Nächste, das wir haben. Das gibt es auch in Kombination, als Pulver und als Spray. Dann gibt es das Fluticason – und Achtung, jetzt müssen wir unterscheiden! – das Fluticasonpropionat, das gibt es auch als Pulver und als Spray. Und dann gibt es das Fluticasonfuroat, nicht zu verwechseln mit dem Propionat, wichtig bei der Dosierung! Es gibt, bei Kindern nicht so üblich, aber es gibt auch das Mometasonfuroat als Inhalat.

Axel Enninger: Warum gibt es so viele?

Marcus Dahlheim: Ja, eine gute Frage. Es gibt die, ich sage mal, historisch, die Alten, die nicht schlecht sind, die sind alle gut. Es gibt aber natürlich feine Unterschiede und das Budesonid, Beclometason ist relativ alt, es wurde weiterentwickelt und da kommen wir schon zu einem Thema. Sie haben alle in unterschiedlicher Weise ihren Charme. Manche gibt es eben als fixe Kombination, manche kann man herstellungsbedingt nicht in jede Formulierung bringen. Es gibt viele Firmen, die mitmischen und es gibt Weiterentwicklungen. Die alten Autos fahren ja auch noch auf den Straßen herum.

Axel Enninger: Okay, das heißt, es gibt alte Autos und neue Autos. Jetzt würde man ja sagen, die neuen Autos sind nicht immer unbedingt die besseren Autos. Grundsätzlich gibt es, wenn du Eltern sagst: ‚Also hier gibt es einen inhalatives Kortison‘, wahrscheinlich die Frage: ‚Was? Kortison macht doch Nebenwirkungen?‘ Was sagst du dazu? Beziehungsweise beeinflusst dich die Frage oder die antizipierte Antwort auch in der Auswahl der Präparate?

Marcus Dahlheim: Das beeinflusst mich nicht. Gehen wir kurz zu den Präparaten – den Autos – zurück. Was sich tatsächlich dann, wenn die Diskussion einmal aufkommt mit dem Kortison, welches wir nehmen und ob man eine Zuzahlung oder so etwas mal in Kauf nehmen muss, dann vergleiche ich tatsächlich manchmal. Wir haben uns auf der Herfahrt unterhalten über VW-Käfer ohne Gurte und ohne Kopfstützen – damals noch. Heute fahren wir die Allrad-Autos mit ABS, ESP und so weiter. Damals kam man genauso ans Ziel wie heute, aber heute kommt man sicherer ans Ziel. Dann sind die modernen Kortisone tatsächlich vielleicht anders als die alten, die noch ein höheres Risiko haben, wenn doch tatsächlich einmal etwas passiert.

Axel Enninger: Was könnte passieren?

Marcus Dahlheim: Na ja, systemische Nebenwirkungen. Wenn jetzt doch, ich sage mal, eine bestimmte Dosis erreicht ist, dass gewisse Spiegel im Blut, besonders die Spitzenspiegel beim Kortison, auftreten, die natürlich Nebenwirkungen machen. Man hat ja immer Angst vor der Wachstumshemmung, auch wenn das von der Menge gar nicht so relevant ist. Da kommen wir nachher noch mal gerne drauf. Aber das sind natürlich Sorgen. Die Wachstumshemmung macht mir nicht Sorgen. Aber wenn jetzt ein Jugendlicher oder ein Kind über Jahre und Jahrzehnte Kortison inhalieren müsste oder muss und ich habe regelmäßig Spiegel im Blut, die nachweisbar sind… Ich postuliere, es könnte sein, dass eine Wachstumshemmung von 0,4 oder 1,2 Zentimetern auftreten könnte. Und das sei ein Effekt durch das Kortison, dann wird mir ein bisschen doch Angst, was mit diesen Knochen mit 60 oder 70 ist. Dann fahre ich lieber das Auto mit ABS oder ich nehme mir das Kortison, das modern ist und wo ich weiß, das wird mir ziemlich sicher nicht passieren.

Axel Enninger: Okay, das heißt, die Unterscheidung ist einerseits möglicherweise Effektivität, dazu kommen wir gleich noch, aber der wesentliche Aspekt ist schon auch systemische Resorption. Also wie viel wird resorbiert und wie viel beeinflusst sozusagen die Kortisol-Achse?

 

Jeder Körper produziert Kortison und systemische Nebenwirkungen sind nicht zu erwarten

Marcus Dahlheim: Ja, ich glaube, dass das gar nicht so relevant ist. Aber wenn es doch theoretisch relevant sein könnte und wir wissen es nicht, dann habe ich Sorge. Und dann wähle ich aus, was das Sicherste ist. Da gibt es Unterschiede. Aber ich gehe noch mal eins zurück. Du hast gefragt: ‚Wie mache ich es den Eltern klar? Also ich erkläre den Eltern Kortison. Man sieht ja schon, der Mundwinkel geht runter, die Augen werden feucht oder was nicht alles beim Wort Kortison passiert. Dann erkläre ich ihnen erst einmal, dass Kortison körpereigen ist und sie, die Mama, der Papa, das Kind und ich, dass wir alle Kortison bilden. Dann gucke ich sie an und sage: ‚Und wenn ich jetzt aufhöre, Kortison zu bilden, ich, der ich hier sitze, dann bin ich in zwei Wochen wahrscheinlich mausetot!‘ Dann gucken sie erst einmal ganz groß und sagen: ‚Ach, das ist so?‘ Dann erkläre ich ihnen – natürlich ganz grob in zwei Sätzen – was Kortison im Körper an wichtigen Dingen reguliert. Und dann erkläre ich ihnen, was passiert, wenn man Tabletten einnimmt, sodass es sich überall verteilt und es dann natürlich am System knabbert und dass das beim Inhalieren eben nicht passiert. Dass die modernen Kortisone so aufgebaut sind, die inhalierbaren Kortisone, dass sie auch beim Verschlucken praktisch nicht aufgenommen werden und dass Nebenwirkungen in der Regel bei sachgerechter Anwendung – zumindest systemische Nebenwirkungen – nicht zu erwarten sind.

 

Welche Medikation? Je nach dem, was das Kind schon kann

Axel Enninger: Okay, auf das Thema: ‚Wie inhaliere ich richtig und wie kriege ich die Substanz dahin, wo ich sie hinhaben will?‘ kommen wir vielleicht gleich noch mal? Also deine Auswahl, beziehungsweise die Indikation ist klar gestellt. Dieses Kind braucht ein inhalatives Kortikosteroid. Wie entscheidest du dich jetzt bei dem Angebot, das du zur Verfügung hast?

Marcus Dahlheim: Na ja, ich habe erst einmal das Kind vor mir. Ich muss ja gucken, wie alt ist es, was kommt überhaupt in Frage? Brauche ich ein Spray, ein Spray also ein Dosieraerosol mit Spacer? Bei den kleineren Kindern – da übrigens früh Mundstück benutzen – also ab 15 oder 18 Monaten können sie es alle mit dem Spacer mit Mundstück. Man braucht keine Masken mehr. Oder habe ich ein pfiffiges Kindergartenkind, das vielleicht schon inspirationsgetriggert inhalieren kann? Oder ein Schulkind, die eigentlich fast alle inspirationsgetriggert inhalieren können? Davon hängt natürlich auch ein bisschen ab, was ich nehme.

Axel Enninger: Das heißt, das Thema, wie kooperativ bzw. wie gut können sie mit den entsprechenden Devices umgehen, ist ein relativ entscheidendes.

Marcus Dahlheim: Das ist ein ganz wichtiges Thema, denn ich brauche bei einem 4-Jährigen, auch wenn es Präparate gibt, die ab vier zugelassen sind, tatsächlich keinen Pulver-Inhalator zu versuchen. Das wird nicht klappen. Das heißt, da fallen schon ganz viele weg. Also ein vierjähriges Kind wird nie mit Fluticasonfuroat, das es nur als Pulver gibt, inhalieren können, denn es ist für dieses Kind nicht verfügbar.

Axel Enninger: Also dann machen wir doch mal ein paar Beispiele. Also da ist ein Einjähriger, von dem du denkst, der braucht ein inhalatives Steroid, ein Jahr alt. Dann gehen wir davon aus, Mundstück geht nicht, oder?

Marcus Dahlheim: Der braucht eine Maske, weil er eben wahrscheinlich noch Nasenatmer sein wird. Dann wird das mit dem Mundstück nicht funktionieren. Er wird dann nebenher mit der Nase atmen.

Axel Enninger: Er braucht eine Maske mit einem Spacer, oder nicht?

Marcus Dahlheim: Er braucht eine Maske mit einem Spacer und braucht ein Dosieraerosol hinten dran. Dann gibt es für mich – ich spreche jetzt einfach ganz frei – zwei Optionen, die ich da nehmen würde. Das wäre entweder das Fluticasonpropionat oder es wäre das Beclometason, aber nur in der extrafeinen Partikelgröße. Das kann bei den ganz Kleinen charmant sein, weil die extrafeinen Partikel bei den Kleinen besonders gut um die Ecken kommen und wahrscheinlich eine besonders gute Desposition haben.

Axel Enninger: Okay, und wie oft muss man das am Tag machen?

Marcus Dahlheim: Die Fachinformation sagt: zweimal am Tag. Die Pharmakologen sagen, wenn man die Fachleute dafür fragt, es hält sich lange genug fest, so dass es zumindest beim Fluticason und beim Beclometason einmal am Tag reichen würde. Aber ich sage mal Fachinformation, daran müssen wir uns ja offiziell halten, ist zweimal am Tag.

Axel Enninger: Und jetzt der Praktiker in dir, der empfiehlt?

Marcus Dahlheim: Also, wenn ich jetzt Fluticason, zweimal 50 µg als Kind inhalieren soll, morgens und abends, dann nehme ich doch als Elternteil oder auch als Kind lieber einmal 125, wenn ich weiß, es wirkt genauso und die Krankenkasse sich freut, weil sie – weiß ich nicht – 50 % weniger bezahlt, weil es natürlich auch günstiger ist. Das ist das, wie ich das im Alltag tatsächlich oft dann so mache.

Axel Enninger: Okay, also du sagst dann eher höhere Dosis einmal am Tag.

Marcus Dahlheim: Ja, aber ich verstoße damit gegen das, wie es in der Fachinfo steht. Das muss uns bewusst sein, aber das kann man ja besprechen.

Axel Enninger: Okay, dann nehmen wir jetzt mal die nächste Altersstufe. Vierjähriges Mädchen?

Marcus Dahlheim: 4-jähriges Mädchen, weiß ich nicht, zum Beispiel allergisches Asthma mit Hausstaubmilben-Allergie, nehmen wir mal einfach: Es braucht auch einen Spacer mit Mundstück, da fällt wieder fast alles weg an Pulvern. Wenn sie sehr pfiffig sind, können sie auch einmal einen Autohaler benutzen, aber wie gesagt: in der Regel Spacer mit Mundstück und dann gibt es wieder Fluticason. Das wäre da wahrscheinlich mein Favorit und alternativ wieder das Beclometason in extrafeiner Partikelgröße. Aber wir müssen auf die Partikelgröße achten und da werden wir nachher glaube ich noch mal kräftig diskutieren und vielleicht die Boxhandschuhe auspacken.

 

Ab Schulalter Autohaler

Axel Enninger: Ich bin ganz schlechter Boxer, das wird nichts. Aber jetzt sag mal: Autohaler, für den Nicht-Pneumologen, ist was? Das ist so ein Ding, da ziehe ich dran und dann wird es ausgelöst?

Marcus Dahlheim: Ganz genau.

Axel Enninger: Kannst du das noch mal erklären?

Marcus Dahlheim: Also, man spannt vor, mit einem System X, da gibt es auch noch zwei, drei andere Geräte, und dann ist das Spray ausgelöst, ohne das wirklich Spray gekommen ist. Da gibt es noch ein Ventil und wenn ich an diesem Gerät mit ausreichender Kraft sauge, also erst ausatmen, in den Mund nehmen, kräftig durch das Gerät einatmen, dann wird es mit Beginn der Inspiration ausgelöst und das ist natürlich superpfiffig.

Axel Enninger: Okay, und das kann wer schon?

Marcus Dahlheim: Also ganz wenige können es mit zweieinhalb, aber das geht nur, wenn man es dann auch jeden Tag wiederholt. Sonst in der Regel ganz grob gesprochen ab der Einschulung.

Axel Enninger: Dann gibt es noch die sozusagen fast Erwachsenen.

 

Lila geht manchmal gar nicht

Marcus Dahlheim: Dann gibt es die fast Erwachsenen. Ab sechs, genau, oder die noch Größeren. Sie kriegen tatsächlich dann die inspirationsgetriggerten Sprays oder Pulver-Inhalatoren. Dann kommt es wieder darauf an, was ihnen lieber ist. Womit, mit welchem Gerät, kommen sie zurecht? Es gibt zum Beispiel einen lila Diskus, der vielen aufgrund der Farbe schon nicht gefällt – in einem bestimmten Alter mit einem bestimmten Geschlecht. Das sind manchmal so Punkte. Bevor der heimlich versteckt oder weggeschmissen wird, dann nehme ich lieber eins, das eine andere Farbgebung hat. Das sind so ganz banale Punkte, die man im Hinterkopf haben muss. Jeder Jugendliche, jedes Kind bekommt bei uns die Inhalation nicht nur erklärt oder ein Film gezeigt. Wir machen es mit ihm. Wir haben immer solche Placebo-Sprays oder Muster-Sprays, die wir dann nehmen und gucken, was ist das Gerät: Mit welchem kommst du zurecht? Natürlich habe ich meine Favoriten als Präparate, aber ich muss ja mit den Jugendlichen gehen.

Axel Enninger: Also, das mit der genderspezifischen Farbauswahl ist ja ganz spannend. Aber davon noch mal weg: Du hast Spray oder Pulver gesagt. Sag noch mal, warum das wichtig ist und was wofür gut ist.

Marcus Dahlheim: Manchen Leuten ist das Pulver im Mund unangenehm, andere finden das Spray ein bisschen ungünstig bei der Auslösung, weil es einfach so ein bisschen mit Schwung kommt. Das ist manchmal eine Geschmacksgeschichte. Die Pulver enthalten Laktose, das lesen die Leute und sagen sich dann: ‚Ich habe doch eine Laktosemalabsorption!‘ Was ich noch nie erlebt habe ist, dass es in der Menge relevant wäre. Aber es ist ein Thema, das man zumindest vorher ansprechen muss. Dann, wenn sie sagen: ‚Nehmen wir trotzdem nicht!‘, dann bleibt nur ein Spray. Es gibt natürlich verschiedene Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen. Die gibt es mal nur so und mal nur so und dann kann ich einen Vorschlag machen: ‚Lass uns das probieren, gucken, ob du zurechtkommst und wenn es nicht klappt, wechseln wir halt.‘

Axel Enninger: Also der Gastroenterologen in mir würde sagen: Eine inhalierte Laktosemenge kann kein relevantes gastrointestinales Problem darstellen, aber das nur als Randbemerkung. Okay. Es macht keinen Unterschied, ob Spray oder Pulver, was wohin in meine Lunge kommt?

Marcus Dahlheim: Doch tatsächlich. Ah, darauf willst du hinaus, natürlich. Also, nehmen wir einmal an, dass wir einen Pulver-Inhalator haben und wir die Deposition von in der Regel vielleicht 10, 20 Prozent hinbekommen. Das sind Zahlen für die Größenordnung. Bei Dosieraerosolen, wenn ich das ohne Spacer mache, ähnlich. Es sei denn, ich habe extrafeine Partikel, die besonders gut in die Tiefe kommen. Und die erreichen dann tatsächlich Depositionsraten von – lass es 50 % sein, sage ich jetzt mal. Und das ist natürlich bei der Dosisauswahl wichtig und es ist natürlich auch bei der Präparateauswahl wichtig. Jetzt kommen wir mal auf eines meiner Lieblingsthemen beim Beclometason: Das gibt es als Pulver, das gibt es als Spray HFA [Anm. d. Redaktion: Hydrofluoralkan].

 

Es kommt auf die Deposition an

Axel Enninger: Was heißt HFA?

Marcus Dahlheim: Das ist das Treibmittel, das darin ist. Es waren früher Fluorchlorkohlenwasserstoffe, die wurden dann ja ersetzt. Dann kam das HFA und irgendwann hieß es in der Werbung: HFA macht immer extrafeine Teilchen – was aber gar nicht stimmt! Aber das ist, weswegen man Beclometason so oft unhinterfragt als Spray einsetzt und sagt: ‚Das ist ja super, das hat ja feine Teilchen, kommt in der Tiefe an!‘ Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück zum Pulver. Also Pulver Beclometason ist für mich – für mich jetzt, das ist meine persönliche Meinung – nicht mehr tolerabel, denn wir haben eine relativ schlechte Deposition. Wie gesagt, ich spreche jetzt mal einfach von den 10 %. Wir haben eine orale Bioverfügbarkeit von wahrscheinlich über 25 %. 90 % davon verschlucke ich. Das heißt, wir haben natürlich relativ viel, was an der Lunge vorbeigeht, aber dann doch im System ankommen könnte. Nehme ich das Ganze als extrafeines Spray, dann habe ich plötzlich viel, viel, viel bessere Depositionsraten. Vielleicht das Doppelte, vielleicht auch das Fünf- bis Siebenfache, deutlich bessere Depositionsraten. Plötzlich komme ich mit viel weniger Wirkstoff zurecht. Ich verschlucke kaum noch was im Verhältnis und habe natürlich ein viel besseres Nebenwirkungsverhältnis, muss aber die Dosis auch reduzieren. Denn das, was wir uns jetzt klarmachen müssen: Alles, was in der Lunge ankommt, 100 % von dem, was pulmonal ankommt, wird auch über das System resorbiert. Aber es hat dann zumindest in der Lunge positive Wirkung gehabt. Wenn ich jetzt aber die fünffache Deposition habe – um einfach mal fünffach zu sagen, also mindestens zweifach ist belegt, aber wahrscheinlich ist es mehr – dann muss ich auch die Dosis reduzieren. Ich muss sie also entsprechend halbieren oder sogar noch weiter runterziehen, denn sonst habe ich ja das Risiko systemischer Nebenwirkungen. Aber das Gute ist, ich kann die Dosis auch reduzieren, weil die Wirksamkeit halt so viel besser ist.

Axel Enninger: Und das prüfst du wie?

Marcus Dahlheim: Na, letztlich prüfe ich das gar nicht groß. Ich muss letztlich halt nach dem Erfolg gucken und man steuert ja die Kortisondosis nach der Asthmakontrolle. Ich fange dann meist – jetzt spreche ich wieder über mich – ich fange dann meist mit einmal 100 µg Beclometason extrafein an, wenn ich es so einsetze. Dann gucke ich, ob man irgendwann auf 50 runtergehen kann oder ob man erhöhen muss. Das funktioniert immer ganz gut.

Axel Enninger: Und über welche Zeitintervalle sprechen wir da? Vier Wochen und dann guckst du wieder oder wie ist es?

Marcus Dahlheim: Also meistens erstmal vier Wochen. Hat es einen Erfolg? Dann kriegen wir die ersten Rückmeldungen, dann können wir die erste Anpassung machen.

Axel Enninger: Okay und dann guckst du, ob du weiter reduzieren kannst.

Marcus Dahlheim: Genau. Oder wenn es blöd läuft, halt anheben.

Axel Enninger: Also das heißt, es gibt diverse Punkte, die zu beachten sind. Du hattest vorhin schon gesagt, es gibt auch Kombipräparate.

Marcus Dahlheim: Axel, gehen wir noch mal zurück. Jetzt kommt nämlich ein ganz großer Fallstrick mit dem HFA.

Axel Enninger: Ah, okay.

 

Beclometason: Teilchengröße und Aut-idem-Kreuzchen beachten

Marcus Dahlheim: Wenn du jetzt in die Fachinfos guckst, dann schreiben die meisten Firmen, das Beclometason, also das Präparat X enthält 60 % Teilchen mit einer Größe von 6 µm und es gibt einzelne Präparate, die lehnen sich aus dem Fenster und sagen, das Präparat enthält 60 % mit einer Teilchengröße von 3 oder 3,3 µm. Das ist ja ein Riesenunterschied, ob ich jetzt mit dem 6 m langen Auto oder mit einem 3 m langen Auto fahre und einen Parkplatz suche, und die werden alle beliebig in den Apotheken ausgetauscht. Das heißt, wenn ich jetzt das Präparat X „extrafein“ aufschreibe und bekomme dann vielleicht Y ausgehändigt, dann habe ich natürlich eine ganz andere, viel schlechtere Desposition und bin unterbehandelt. Was nie vorkommt, glücklicherweise, ist der Austausch andersherum – oder ich hoffe, es kommt nie vor, dass es anders ausgetauscht wird. Dann habe ich mit der gleichen Dosis ja entsprechend eine viel höhere Deposition und ein Problem. Das heißt, wir müssen, wenn wir Beclometason verordnen, nicht nur darauf achten „extrafein“, wir müssen die Präparate kennen, wir müssen auch das Aut-idem-Kreuz setzen, und das tue ich tatsächlich immer. Dafür möchte ich eine Lanze brechen. Wenn, dann auch mit Aut-idem-Kreuz, sonst wird es ein Blindflug.

Axel Enninger: Okay, alles klar, das war mir so überhaupt gar nicht klar. Aber ich verordne auch keine Asthmamedikamente.

Marcus Dahlheim: Ganz wichtig.

 

Fluticason: Furoat doppelt so wirksam wie Propionat

Axel Enninger: Okay, sehr gut. Und das Gleiche gilt für die anderen inhalativen Kortikosteroide auch, oder nicht?

Marcus Dahlheim: Nein, da gibt es nämlich jetzt Unterschiede und Kortison ist ja nicht gleich Kortison. Deswegen, wenn wir mal anfangen: Das Wirksamste, das wir von der Rezeptoraffinität inhalativ haben, ist ja das Fluticasonfuroat. Das hat von der Effektoraffinität, einfach mal definiert, ungefähr 3.000. Und das Mometason ist das Zweitstärkste mit etwas über 2.000. Und das Fluticasonpropionat, um das noch zu sagen, ist bei 1.500, also die Hälfte von Fluticasonfuroat. Achtung: Fluticason ist nicht Fluticason. Also ein großer Unterschied. Das heißt, das normale Fluticasonpropionat muss man doppelt so hoch dosieren, einfach mal grob gesprochen, wie das Furoat – also als Größenordnung.

Axel Enninger: Da besteht auch die Gefahr, dass der Apotheker das austauscht, oder nicht?

Marcus Dahlheim: Bei den beiden nicht, weil es ja nicht wirkstoffgleich ist.

Axel Enninger: Okay, das heißt, wenn die einen anderen „Nachnamen“ haben, sozusagen, dann gelten sie als nicht wirkstoffgleich.

 

Budesonid macht hohe Plasmaspiegel

Marcus Dahlheim: Dann gelten sie eigentlich als nicht wirkstoffgleich. Genau. Und dann gibt es das Beclometason. Das ist dann noch mal etwas unter dem Fluticason von der Rezeptoraffinität her. Und jetzt kommt mein nächstes Lieblingsthema, das Budesonid. Ich weiß nicht, was bei Kindern Marktführer ist in Deutschland, Budesonid oder Beclometason? Aber das Budesonid macht mir ein bisschen Sorge, weil es eben eine relativ geringe Lipophilie hat, das heißt, es hält sich nur kurz an der Lunge fest. Das heißt: Ich inhaliere es; das, was in der Lunge ankommt, wird innerhalb von Minuten resorbiert und von der Lunge abtransportiert in den Blutkreislauf. Und dadurch, dass das so schnell passiert, kommt auch ein deutlich messbarer Spitzenspiegel im Blut an. Also schon wenige Minuten nach der Inhalation kann man beim Kind messen, dass Budesonid im Blut auftaucht. Ob das relevant ist oder nicht, sei dahingestellt. Ich weiß es nicht. Da gibt es auch keine guten Daten. Man hat das aber verglichen mit Mometasoninhalation und hat festgestellt, dass Budesonid die 20-fachen Plasmaspiegel macht gegenüber Mometason!

Axel Enninger: Okay.

Marcus Dahlheim: Das ist ja ein Wort.

Axel Enninger: Das ist eindeutig ein Wort. Zumal Budesonid ja auch etwas ist, das wir Kinder-Gastroenterologen gelegentlich verwenden, die Erwachsenen-Gastroenterologen noch viel mehr – Thema umschriebener ileozökaler Crohn. Da würde man es auch geben. Es ist jetzt bei Kindern nicht so wahnsinnig häufig, weil es bei uns nicht so umschriebene Entzündungen im terminalen Ileum gibt. Auch da würde man das einmal geben. Wir haben übrigens vor 25 Jahren an der Pharmakogenetik-Studie teilgenommen zum oralen Budesonid. Da erinnere ich mich noch, dass von zwölf Kindern bei zweien eine Suppression der Kortisolachse nachweisbar war, damals bei der oralen Gabe. Ansonsten verwenden wir Kinder-Gastroenterologen das natürlich auch beim in Anführungszeichen „Asthma der Speiseröhre“, bei der eosinophilen Ösophagitis. Da ist es jetzt relativ frisch zugelassen und ich muss sagen, dass ich zumindest von der Effektivität sehr beeindruckt bin. Es ist zum Teil doch erstaunlich, was man da so sieht. Aber du würdest jetzt mal aus deiner Sicht sagen, ihr habt Alternativen und von daher hast du eine gewisse Zurückhaltung diesem Präparat gegenüber oder dieser Substanz gegenüber?

Marcus Dahlheim: Genau. Dann betone ich noch mal: Alle inhalativen Kortikosteroide sind gut, sind eine dramatische Weiterentwicklung gegenüber den Tabletten, die man früher hatte. Auch das Budesonid ist gut, aber ich habe bessere Alternativen wie beim Vergleich Auto: Der VW-Käfer hat mich früher auch nach Italien gebracht. Mit meinem Audi komme ich wahrscheinlich viel besser hin – mit all den Sicherheitssystemen.

Axel Enninger: Okay. Wir hatten gerade schon gesagt, dass es zumindest beim Budesonid so einen kleinen Link zu uns Kinder-Gastroenterologen gibt. Ich erinnere mich, dass es früher tatsächlich nicht so ganz selten war, dass wir Kinder hatten, die einen Soor im Mund und in der Speiseröhre hatten. Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wann wir das zuletzt gesehen hatten. Gab es dann noch andere Präparate oder warum haben wir das damals gesehen bei Asthmatiker, die technisch schlecht inhaliert haben?

 

Erst inhalieren, dann essen

Marcus Dahlheim: Also, da sagst du es schon: technisch schlecht inhaliert. Es ist viel hängengeblieben im Rachenbereich. Dann hat man ja früher gesagt: ‚Ihr sollt die Zähne putzen nach dem Inhalieren.‘ Was die Zähne damit zu tun haben… Wenn du jetzt die Laktose zwischen den Zähnen durchpustest, weil die Zähne nicht auf dem Mundstück waren, sondern du das durch die Zahnlücken inhalierst, ist es der Milchzucker, der Karies macht. Aber ansonsten bleibt das Pulver hinten am Rachen hängen. Und dann hat man irgendwann angefangen zu sagen, jetzt sollte man am besten den Mund ausspülen und gurgeln und das ist natürlich auch nur mäßig effektiv. Ich sag den Eltern immer, das ist, wie wenn man eine Pfanne oder fließendes Wasser hält. Es wird sauber, aber wenn du jetzt noch einen Schwamm nimmst, dann wird die Pfanne noch sauberer. Deswegen empfehlen wir eigentlich zumindest den meisten Kindern, nach dem Inhalieren zu essen. Oder andersherum, erst inhalieren, dann essen. Dann schmirgelt das Brot, oder was man isst, das alles noch sauber, dann ist es weggespült. Es bleibt wenig liegen.

Axel Enninger: Ja. Gefällt mir gut, gutes Bild, finde ich prima. Also danach gibt es sozusagen eine Brezel oder irgendetwas zu frühstücken und dann putzt man einmal die Speiseröhre durch.

Marcus Dahlheim: Ja.

Axel Enninger: Finde ich ein sehr schönes Bild. Jetzt haben wir glaube ich, die verschiedenen Substanzen schon mal durchgesprochen, zumindest die inhalativen Kortikosteroide. Und jetzt können wir die ja noch kombinieren. Oder kannst du sie so taschenspielertrickmäßig noch kombinieren mit anderen Medikamenten, die die Bronchien noch erweitern.

Marcus Dahlheim: Ja.

 

Die Wirkstoffe in Kombipräparaten beeinflussen sich positiv

Axel Enninger: Aber eigentlich sagen wir doch immer, Kombipräparate sind in aller Regel doof. Warum ist das bei euch Kinderpneumologen anders?

Marcus Dahlheim: Weil Kombipräparate es den Kindern und Jugendlichen oder den Eltern leichtmachen. Ich bin ein sehr großer Anhänger. Es gibt auch Leute, die sind da etwas skeptischer. Es gibt aber verschiedene Argumente. Zum einen, dass die Pharmakologen, die sich damit befassen, uns tatsächlich sagen, wenn ich Kortison inhaliere und einen Weitmacher, dann beeinflussen sich beide Achsen gegenseitig positiv. Das heißt, beide verstärken sich noch mal bei gleicher Dosis. Das ist wahrscheinlich nicht groß relevant, aber es ist so ein Nebeneffekt. Das Zweite ist: Jetzt stell dir einen Jugendlichen vor, der vergisst, sein Kortison zu inhalieren, weil es ihm wochenlang gut geht. Das ist ganz normal, das wird ja vorkommen. Der wird dann anfangen, wenn er Beschwerden kriegt, sich zu erinnern, da ist doch noch mein Kortisonspray gewesen und nimmt das. Wird ihm das helfen? Es wird ihm nicht helfen, zumindest nicht kurzfristig. Da wird ihm einfallen: ‚Mensch, ich habe da auch noch ein Zweites, so ein Blaues irgendwo rumliegen‘, und dann wird er das nehmen. Wird es ihm helfen? Ja, das wird ihm helfen. Jetzt frage ich dich: Welches wird er die nächsten Wochen und Monate nehmen? Das Blaue natürlich. Und er wird es immer wieder brauchen, weil die Basis – das Feuer sozusagen – ja nicht gelöscht ist. Er wird sich damit natürlich ins offene Messer manövrieren. Wenn ich jetzt aber mein Kombipräparat habe, wenn der jetzt ein Kortison inhaliert und seinen Weitmacher dabei hat und nach 10, 15, 20 oder 30 Minuten merkt: ‚Mensch, super. Funktioniert!‘ Dann wird er wieder anfangen, sein Asthmaspray zu nehmen und deswegen liebe ich es sehr. Oder wir betrachten das Kleinkind, anderes Beispiel. Stell dir den vor, der die ganze Nacht hustet oder im Kindergarten immer hustet. Die Eltern geben ihn im Kindergarten ab und freuen sich doch, wenn sie wissen, der ist mit seinem Weitmacher beim Toben, beim Fangenspielen geschützt. Nicht nur das Kortison, sondern doppelt geschützt. Und sie freuen sich doch, wenn er auch beim Infekt nicht nachts um zwei oder drei anfängt zu husten, die ganze Familie wach ist, und man am nächsten Tag am Arbeitsplatz einschläft. Also ich finde diese Kombinationspräparate extrem gut, weil sie auch verträglich sind. Sie haben ja keine Nachteile gegenüber morgens / abends Kortison und drei- bis viermal Salbutamol dazu, so wie es bei Infekten oft gemacht wird. Sie haben einfach nur Vorteile im Komfort und letztlich in der zu erwartenden Therapieadhärenz.

Axel Enninger: Gilt das für alle? Es gibt doch so ein paar – noch mal, da spricht wieder der Laie in mir – die haben so eine ganz lange Halbwertszeit. Wenn ich davon jetzt mehrfach am Tag inhaliere, kann das nicht blöde Nebenwirkungen machen?

Marcus Dahlheim: Ja, du musst natürlich immer ein bisschen beachten und mit dem Patienten, dem Jugendlichen, mit den Eltern besprechen, was zu erwarten ist. Die Zeit muss man sich schon nehmen. Aber wenn ich jetzt sage, ich habe zum Beispiel ein Salmeterol oder ein Formoterol, das zwölf Stunden hält, dann sage ich denen schon: ‚Wenn du es als Notfallspray nimmst – das Formoterol ist ja in Kombination mit Kortison als Notfallspray sogar zugelassen ab zwölf Jahren – dann nimm das zweimal und guck, ob es hilft. Wenn es nicht hilft, nimmst du es nochmal zweimal.‘ Und da erkläre ich ihnen, das Salbutamol könntest du jetzt noch mal 4-, 5-, 6-, 7-mal nehmen. Das ist nach vier Stunden von den Nebenwirkungen weg. Wenn du zu viel von deinem Kombispray im Notfall nimmst, dann hast du zwölf Stunden deine innere Unruhe und Zittrigkeit. Aber das ist ja nicht gefährlich.

Axel Enninger: Okay, aber das kann schon theoretisch passieren, dass sie so ein bisschen…

Marcus Dahlheim: Ja, wie Salbutamol aber auch, das hält halt ein bisschen länger. Und dann gibt es ja noch, das hast du wahrscheinlich auch gemeint mit der langen Wirksamkeit, die 24 Stunden wirksamen Weitmacher, das Vilanterol, und das ist natürlich der Knaller an Compliance. Es ist eine super Geschichte. Einmal morgens vor dem Frühstück. Die Jugendlichen kommen über den Tag, die kommen durch die Nacht. Das wird in aller Regel sehr gerne angenommen.

Axel Enninger: Okay, also in der Tat, Compliance ist natürlich bei den Jugendlichen immer ein Riesenthema, auch bei dem, was ich so alltäglich habe, das Thema chronisch entzündliche Darmerkrankungen. Da ist Therapieadhärenz natürlich immer ein Riesenthema.

Marcus Dahlheim: Also das sind deutliche Vorteile. Noch mal ganz kurz zurückholen. Du sagst, bei den Jugendlichen. Bei den Eltern auch! Jetzt nehmen wir mal noch mal den 3-Jährigen oder 4-Jährigen mit seiner Hausstaubmilben-Allergie. Er hat noch nie Kortison inhaliert. Er hustet seit Monaten jede Nacht und ich fange jetzt an mit dem Kortison. Dann wird es ein, zwei Wochen dauern. Dann gehe ich davon aus, dass er meist auch nachts eine gewisse bronchiale Konstriktion dabei hat. Wenn ich den jetzt kriege und nach drei Tagen symptomfrei habe, dann sind die Eltern begeistert und sie werden Vertrauen haben und sie werden in Zukunft auch weiter mit dem Präparat inhalieren. Während wenn es eins, zwei Wochen dauert und ich muss noch mal wechseln, dann ist ein Vertrauen weg und sie sagen, das Kortison hat eh nichts geholfen. Das heißt, auch beim 3- oder 4-Jährigen ist es total dankbar, die Eltern erstmal zu gewinnen. Dann kann ich immer noch reduzieren, wenn ich möchte.

Axel Enninger: Okay. Klingt absolut plausibel und nachvollziehbar. Jetzt noch ein bisschen Rückblick in meine medizinischen Anfangszeiten. Früher kriegte jeder – und jetzt sage ich ruhig den Firmennamen – jeder einen PARI-Boy verordnet. Gibt es dafür noch Gründe, das zu tun?

 

Bei Krupp machen Feuchtvernebler noch Sinn

Marcus Dahlheim: Ja, absolut.

Axel Enninger: Okay, dann wann und wer?

Marcus Dahlheim: Als absoluter Ausnahmefall. [Lachen]. Die Feuchtinhalation mit Kochsalz – das ist für mich Kinderquälerei. Es gibt Familien, die lieben es und die sollen es dann machen, wenn sie es lieben. Aber es ist eigentlich nicht effektiv. Es kriegen eigentlich nur noch – mit Spezialgeräten – Kinder mit Mukoviszidose und mit Ziliendyskinesie. Ich sage mal, die normalen Standard-Inhaliergeräte, ob das jetzt vom Marktführer ist oder von einem anderen, der mit Akku betrieben ist und leiser, das sei dahingestellt: Die Kinder mit Krupp, mit rezidivierendem Krupp, bei denen ist es natürlich total dankbar, wenn sie nachts mit Adrenalin inhalieren können. Sie müssen nicht mehr zum Notdienst, wobei das auch immer mal diskutiert werden kann. Bei mir bekommen sie alle eine Einweisung, wie sie es machen sollen. Sie kriegen alle Adrenalin und es muss von denen keiner mehr zum Notdienst. Jetzt kommen wir noch mal zum Budesonid. Da gibt es tatsächlich ein Feuchtpräparat oder mehrere, die man inhalieren kann. Möglicherweise, wenn ich nachmittags schon merke, mein Kind bekommt einen Krupp, dass sie von einer Feuchtinhalation, die besser am Kehlkopf ankommt als die Sprays, tatsächlich profitieren könnten und man manchmal einen Krupp damit abfangen kann.

Axel Enninger: Okay, aber da reden wir tatsächlich nicht über den Standardasthmatiker, sondern wir reden über spezielle, ausgewählte Fälle. Wir reden vor allem in diesem Falle tatsächlich mehr über inspiratorische Themen als über das Exspiratorische.

Marcus Dahlheim: Ja, weil die feuchten Tropfen eben eher oben ankommen. Da gibt es dann noch Spezialvernebler, die Teilchengrößen von zehn Mikrometern machen. Die werden einfach laryngial deponiert oder in dem Bereich und sie wirken dann in dem Bereich auch gut. Aber ansonsten brauchen wir feuchte Inhalation eigentlich nicht mehr.

Axel Enninger: Okay, damit sind wir dann auch schon fast am Ende unseres Gesprächs angekommen und es gibt eine kleine Tradition in diesem Podcast. Diese Tradition hast du ja schon einmal erleben dürfen, weil du ja ein Wiederholungsgast bist. Die Tradition lautet: Du darfst zwei Dinge sagen, die dir wichtig sind und die du unbedingt loswerden möchtest. Als ‚bitte, bitte tut es!‘ und zwei Dinge, die du loswerden darfst als ‚bitte nein!‘ oder sagen, dass es dich total nervt.

 

Dos und Dont‘ s

Marcus Dahlheim: Bitte, bitte, bitte hinterfragt, ob Budesonid, wenn wir Alternativen haben, bei Kindern noch zeitgemäß ist und nehmt etwas anderes. Bitte, bitte, bitte, wenn ihr euch bei dem anderen nicht für Momentason oder Fluticasonpropiononat oder -furoat entscheidet, sondern für Beclometason, dann stellt sicher, dass ihr wisst, welche Partikelgröße es ist und die Dosis entsprechend anpasst und bevorzugt die Extrafeinen. Und tja, jetzt habe ich wieder was Positives, sozusagen als Forderung. Bitte, bitte, bitte lasst alle Kinder in der Praxis trainieren. Nicht nur erklären und einen Film gucken, wie das mit dem Inhalieren klappt. Überzeugt euch, dass sie es richtig machen. Und bitte, bitte, bitte lasst euch bei jeder Verlaufskontrolle zeigen, ob sie es immer noch richtig machen. Das ist leider überhaupt nicht die Regel.

Axel Enninger: Okay, das hast du jetzt sehr schön positiv umgedreht. Vielen Dank, Marcus.

Marcus Dahlheim: Gerne.

Axel Enninger: Danke für das Gespräch und damit sind wir auch schon am Ende dieses Podcasts. Sie können diesen Podcast nachlesen in dem Transkript, was Ihnen zur Verfügung gestellt wird und ich hoffe, Sie hatten Freude an diesem Podcast. Ich hoffe, Sie haben Informationen aus diesem Gespräch für Ihre Praxis herausziehen können. Und wenn das so war, würden wir uns freuen, wenn Sie bei einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast, gerne noch mal zuhören. Und dir noch mal, Marcus, vielen Dank!

Marcus Dahlheim: Danke Für die Einladung und tschüss in die Runde.

Axel Enninger: Auf Wiederhören.

Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!