consilium - DER PÄDIATRIE-PODCAST - Folge #5 - 21.01.2022
consilium – der Pädiatrie-Podcast
mit Dr. Axel Enninger
Unterschätzte Plaques: Psoriasis – Gene, Trigger, Therapie
DR. AXEL ENNINGER…
… ist Kinder- und Jugendarzt aus Überzeugung und mit Leib und Seele. Er ist ärztlicher Direktor der Allgemeinen und Speziellen Pädiatrie am Klinikum Stuttgart, besser bekannt als das Olgahospital – in Stuttgart „das Olgäle“ genannt.
Axel Enninger: Heute zu Gast Professor Dr. Peter Höger.
Sprecherin: consilium – der Pädiatrie-Podcast mit Dr. Axel Enninger.
Axel Enninger: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von consilium, dem Pädiatrie-Podcast. Mein Gast heute ist Prof. Dr. Peter Höger aus Hamburg. Er ist einer der seltenen Menschen auf dieser Welt, die zwei Fachärzte haben. Er ist nämlich Kinder- und Jugendarzt und Hautarzt. Gleichzeitig ist er Chefarzt der Pädiatrie im Wilhelmstift hier in Hamburg und er ist Leiter der Abteilung für Hauterkrankungen, auch im Wilhelmstift in Hamburg. Insofern der geborene Experte für unser Thema heute, nämlich Psoriasis. Herzlich willkommen, Herr Höger!
Peter Höger: Guten Tag, Herr Enninger!
Axel Enninger: Schuppenflechte Im Kindesalter – da fragt man sich ja: Warum sollen denn die Kinder- und Jugendärzte diesen Podcast jetzt weiterhören und nicht sofort abschalten? Sie könnten ja sagen: ‚Das ist so selten. Was soll ich mich damit beschäftigen?‘
KEINE SELTENE KRANKHEIT: 1,2 % BEI JUGENDLICHEN
Peter Höger: Ich glaube, die Schuppenflechte wird unterschätzt in ihrer Häufigkeit, manchmal auch in ihrem Schweregrad. Man denkt, dass es die Erkrankung des älteren Erwachsenen ist und das ist mitnichten so. Es ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die in wirklich jedem Lebensalter vom Neugeborenenalter an auftreten kann, aber in der Tat mit zunehmendem Lebensalter in ihrer Häufigkeit zunimmt. Im Alter von 0 bis 18, für das wir als Kinderärzte zuständig sind, steigt die Rate von etwa 0,1 Prozent im ersten, zweiten Lebensjahr bis auf immerhin etwa 1,2 Prozent bei den Adoleszenten. Die Erkrankung ist damit die zweithäufigste chronisch entzündliche Hauterkrankung nach dem atopischen Ekzem. 1 zu 100 ist schon eine Zahl, mit der wir rechnen müssen. In jeder Praxis – bin ich sicher – werden sich Kinder mit Psoriasis einfinden, die dann erkannt und behandelt oder gegebenenfalls überwiesen werden sollten.
Axel Enninger: Also aus Ihrer Sicht eindeutig ein Thema, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt und darüber wollen wir jetzt ein wenig reden. Warum kriege ich denn eigentlich eine Psoriasis?
GENETISCHE PRÄDISPOSITION UND IN 30–40 PROZENT POSITIVE FAMILIENANAMNESE
Peter Höger: Also zum einen, weil Sie die Gene dafür haben, das ist Voraussetzung. Es gibt psoriasiforme Ekzeme, die kann man auch bekommen ohne eine entsprechende genetische Disposition. Es gibt ohne Zweifel Arzneimittel, die eine Psoriasis initiieren können, aber in den meisten Fällen ist es eine genetisch bedingte Erkrankung. Die Familienanamnese ist bei etwa 30 bis 40 % der betroffenen Kinder positiv. Dann gibt es Triggerfaktoren, die das hervorrufen können. Einfach ist die Geschichte mit den Triggerfaktoren bei älteren Erwachsenen mit dem sogenannten Typ 2 der Psoriasis, der nur die Erwachsenen betrifft. Dort gibt es bekannte Triggerfaktoren wie Alkoholkonsum, Adipositas, andere Lebensstilfaktoren. Bei Kindern ist als wichtiger zu identifizierender Triggerfaktor eine Streptokokkeninfektion, speziell eine Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A im Rahmen zum Beispiel einer Tonsillitis, aber auch bei anderen Streptokokken-induzierten Erkrankungen ein bekannter Triggerfaktor, aber keineswegs in allen Fällen. Es gibt auch andere Infekte, die unspezifisch wirken. Bei den Streptokokkeninfektionen ist eine spezifische Aktivierung von T-Zellen ein Faktor, der einen gemeinsamen Nenner mit der Pathogenese der Psoriasis darstellt.
Axel Enninger: Das heißt, ich brauche immer eine bestimmte genetische Grundausstattung, um eine Psoriasis kriegen zu können.
Peter Höger: Meistens. Ausnahmen sind zum Beispiel bestimmte Arzneimittel-induzierte Fälle.
Axel Enninger: Okay, und dann kommt zu dieser genetischen Grundausstattung XY hinzu und dann geht es los.
Peter Höger: So ist es. Das ist auch eine Gemeinsamkeit mit dem atopischen Ekzem. Auch das ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die, obwohl die Gene da sind, nicht manifest werden muss, aber kann. Dieselben Gene können bei ein und demselben Individuum ein atopisches Ekzem oder eine allergische Rhinokonjunktivitis oder ein Asthma hervorrufen. Bei der Psoriasis ebenso. Es ist nicht ein Psoriasis-Gen, sondern es sind viele bekannt, die keineswegs immer in vollständiger Zahl vorhanden sein müssen. Je nachdem, welche Typen da sind, gibt es mit Sicherheit auch unterschiedliche Triggerfaktoren, die relevant sind.
Axel Enninger: Okay. Gibt es eine Genotyp–Phänotyp-Korrelation? Kann man sagen, es gibt bestimmte genetische Ausstattungen, mit denen kriege ich es besonders früh oder in einer besonderen Form?
Peter Höger: Es gibt besondere Formen, die bestimmte Genotypen voraussetzen, zum Beispiel die pustulöse Psoriasis – eine der schwersten Manifestationen der Psoriasis. Sie ist überdurchschnittlich häufig an bestimmte Gene, CARD und Interleukin-36-Rezeptor, gebunden. Nicht ausschließlich, aber überdurchschnittlich häufig. Ansonsten ist es ganz schwer, aus dem Muster der vorhandenen Polymorphismen der Gene auf einen späteren Phänotyp zu schließen. Prädiktiv ist das nicht zu verwerten.
Axel Enninger: Okay. Wenn ich Eltern habe, die eine Psoriasis haben, dann kann man schon sagen, es gibt ein gewisses Risiko auch für die Kinder?
Peter Höger: Bei 30 bis 40 % der Kinder mit Psoriasis gibt es eine positive Familienanamnese. Das heißt, es kann – entweder, oder. Die Eltern müssen nicht, aber wenn sie es haben, ist die Chance groß.
KEINE PROPHYLAXE, ABER ÜBERGEWICHT IST RISIKO- UND TRIGGERFAKTOR
Axel Enninger: Kann ich prophylaktisch irgendetwas tun?
Peter Höger: Offengestanden nein.
Axel Enninger: Also, ich kann mich nicht ernähren mit XY oder mein Mikrobiom so und so shapen…
Peter Höger: Gut, es ist immer gut und nicht nur für die Psoriasis, wenn man sich vernünftig ernährt. Denn ganz, ganz deutlich bei Erwachsenen, aber zunehmend auch bei älteren Jugendlichen – so zwischen 8 und 12, beginnt dieser Faktor wirklich greifbar zu werden – wird die Adipositas als Risikofaktor, als Triggerfaktor, für die Manifestation einer Psoriasis bei gegebener genetischer Disposition gewertet. Das liegt daran, dass man früher das Fettgewebe als völlig inerte Speichersubstanz aufgefasst hat. Heute weiß man, dass dort proinflammatorische Zytokine gebildet werden, die bei der Schuppenflechte wirklich das Fass zum Überlaufen bringen und die Erkrankung hervorrufen. Adipositas ist ein vermeidbarer Risikofaktor, aber ich hatte Ihre Frage so verstanden: Kann man als betroffene Eltern, die ein Kind bekommen, irgendetwas anders machen? Und da muss man sagen, bis auf diese Ernährungsfrage, die generell und nicht nur für die Psoriasis relevant ist, nein.
Axel Enninger: Das ist ja auch keine schlechte Nachricht. Das heißt, wenn man nichts anders machen kann, dann hat man in dem Moment auch nichts falsch gemacht. Umgekehrt, wenn die Psoriasis ausgebrochen ist, ist es etwas, was Eltern häufig mit sich herumschleppen zu sagen: ‚Hätte ich mal das und das gemacht.‘
Peter Höger: Genau. Nein.
Axel Enninger: Okay, und Stillen ist immer gut, aber hat auch keinen protektiven Effekt.
Peter Höger: Nein.
Axel Enninger: Wenn Sie aus Ihrer Sicht so gucken, was ist das häufigste Alter und die häufigste Erscheinungsform, die Ihnen so präsentiert wird? Oder die zum Kinder- und Jugendarzt geht, sagen wir so.
JE ÄLTER, DESTO HÄUFIGER, ABER TYPISCH IST DER ADOLESZENTE PATIENT
Peter Höger: Ja. Also, das häufigste Erkrankungsalter, wie eingangs gesagt: Die Psoriasis nimmt in ihrer Prävalenz mit dem Lebensalter zu. Das heißt, wir haben deutlich mehr 12- bis 17-Jährige als 0- bis 11-Jährige, die eine Psoriasis haben. Wir haben auch Kinder mit 6 oder 7 Jahren, auch Kinder mit deutlich geringerem Alter schon gesehen. Das sind Einzelfälle. Typisch ist der adoleszente Patient, der plötzlich in Anführungsstrichen „Ekzeme“ entwickelt. Das ist die häufigste Form, die Plaque-Psoriasis. Bei Kindern annähernd gleich, vielleicht ein ganz klein bisschen seltener als die Plaque-Form, aber direkt danach, eine Erscheinungsform, die wirklich typisch ist für das Kindesalter, nämlich die exanthematische Manifestation der Psoriasis. Diese jedem bekannten Plaques sind nicht immer gleich groß, sondern sie können wie bei einem Exanthem eruptiv auftreten, sind anfangs makulös, aber werden sehr schnell schuppig verdickt zu Papeln. Und das sieht wirklich anfangs aus wie eine Exanthem-Erkrankung. Diese Form ist eine, die überdurchschnittlich häufig nach einer Streptokokkeninfektion als Manifestation auftritt.
Axel Enninger: Okay. Wir halten fest: Nummer 1 ist der Teenie, dann das Schulkind, aber die Jüngeren tatsächlich selten.
Peter Höger: Ja, je jünger, desto seltener. Aber eine therapierefraktäre Windeldermatitis beim Säugling oder Kleinkind ist auch eine Erkrankung, bei der man daran denken muss. Wann muss man an Psoriasis denken von der Morphe her? Im Unterschied zum atopischen Ekzem und ähnlich wie beim seborrhoischen Ekzem ist bei der Psoriasis die Schärfe der Begrenzung sehr wichtig. Beim atopischen Ekzem haben wir in aller Regel unscharf begrenzte Ekzeme. Die sind immer besonders schlimm und jucken besonders stark. Aber man kann manchmal gar nicht mehr sagen, wo fangen die an, wo hören die auf. Bei der Psoriasis ist es ganz scharf begrenzt. Zweitens, eine weitere Gemeinsamkeit mit dem seborrhoischen Ekzem ist, dass es Hautfaltenregionen begünstigt. Das bedeutet, der Windelbereich ist besonders gern betroffen, der Anogenitalbereich des älteren Menschen in jedem Lebensalter ist ein Lieblingsort für die Psoriasis. Die Axillarregion und vor allen Dingen auch die Region der Kopfhaut. Die Kopfhaut-Psoriasis, Psoriasis capillitii (Psoriasis capitis) ist eine Form, die ganz, ganz überwiegend im Kindes- und Jugendalter gesehen wird und manchmal auch als einziger Befall. Es gibt also Kinder, die eine extrem hartnäckige, diffuse Schuppigkeit der Haut haben, allerdings auf erythematösem Grund. Das unterscheidet diese Art der Schuppen bei der Psoriasis capillitii von den banalen Schuppen, die durch Trockenheit der Haut oder ein seborrhoisches Ekzem begünstigt werden. Also Morphe wichtig: Schärfe der Begrenzung und Lokalisation. Und die eben genannten Faktoren sind diametral entgegengesetzt dem atopischen Ekzem. Das findet man nicht in der Windelregion und extrem ungewöhnlich wäre es, es in den Achseln zu finden. Die Kopfhaut kann betroffen sein, aber nicht in dem Maße, wie sie bei der Psoriasis betroffen ist. Von daher ist es eigentlich, wenn man genau hinguckt, eine Blickdiagnose.
Axel Enninger: Würden Sie auch sagen beim Thema Windeldermatitis: Was ist nochmal das Engramm, das wir dem niedergelassenen Kinder- und Jugendarzt mitgeben? Du denkst: Windeldermatitis, du hast etwas verordnet und es wird nicht besser. Und es sieht – wie aus? Um das noch mal ganz explizit zu sagen?
SCHARFE BEGRENZUNG UND LOKALISATION AUF DEM KÖRPER BEACHTEN
Peter Höger: Scharf begrenzte, nicht nur gerötete Areale, sondern scharf begrenzte infiltrierte Areale. In der Windelregion ist durch die Okklusion durch die Windel die Schuppigkeit, wie wir sie bei diesen typischen erythematosquamösen Plaques überall sonst am Körper sehen, nicht gegeben. Also dort sind die Schuppen nicht sehr ausgeprägt durch die feuchte Kammer, die die Windel unter sich bildet. Aber Persistenz, Schärfe der Begrenzung sind Faktoren.
Axel Enninger: Okay, also tatsächlich kann man sich merken: Schuppenflechte schuppt in der feuchten Kammer der Windel weniger.
Peter Höger: Ja.
Axel Enninger: Okay und scharfe Abgrenzung. Auch ein wichtiger Punkt tatsächlich in der Differentialdiagnose zur Neurodermitis. Auch das wichtig. Und noch mal die Stellen, um das auch noch mal zu wiederholen…
Peter Höger: Von oben nach unten: Kopfhaut, hinter dem Ohr, alle intertriginösen Bereiche, der Nabel, Anogenitalbereich. Und dann kommen Zusatzmanifestationen, die ebenfalls typisch, aber nicht obligat sind bei der Psoriasis. Das sind zum Beispiel die Nagelbeteiligung oder die Gelenkbeteiligung. Bei der Gelenkbeteiligung besonders relevant – und da gibt es viele Überschneidungen mit den Kinderorthopäden – die kann lange vor und auch gänzlich ohne Hautbeteiligung auftreten. Und deswegen ist das eine eigene Krankheitsgruppe, die aber eine Überlappung aufweist. Je nach Schätzung bis zu 15 Prozent etwa aller Kinder mit Psoriasis entwickeln im Laufe der Erkrankung eine Gelenkbeteiligung.
Axel Enninger: Und Gelenkbeteiligung kann auch vorne rangehen und – da mische ich sozusagen kurz den Kindergastroenterologen ein – das ist beim Crohn ja auch so, die können auch lange vorher einfach mal eine Arthritis haben, sitzen dann beim Orthopäden oder beim Rheumatologen und am Ende wird es dann Crohn. Aber es kann eben auch eine Psoriasis sein.
Peter Höger: Ja.
Axel Enninger: Okay. Dieses Klassische, was wir so gelernt haben, dieses silbern Schuppige, was wir alle aus dem Studium kennen, wie klassisch ist denn das? Peter Höger: Das ist klassisch für die klassische Psoriasis, nicht im Windelbereich aus den genannten Gründen. Aber ansonsten gibt es die sogenannten Psoriasis-Phänomene, die erklären sich direkt durch die Histologie der Psoriasis, an der der Kinderarzt naturgemäß weniger interessiert ist, die für den Hautarzt aber wirklich Teil der Sache sind. Die Histologie ist gekennzeichnet durch eine Hyper- und Parakeratose. Hyperkeratose ist klar. Parakeratose bedeutet, man findet auch kernreiche Zellen noch – wegen der erhöhten Proliferation in der Haut – in den äußersten Hautschichten und eine Verdickung und Verlängerung der Papillen der Epidermis. Die Phänomene kann man wirklich direkt eins zu eins mit diesem Phänomen in Zusammenhang bringen. Die vermehrte Schuppung ist ein Phänomen, das man sieht und auch durch Abstreifen mit einem Holzspatel, zum Beispiel, induzieren kann. Und dann kommt das Phänomen des letzten Häutchens und dann entstehen ganz typischerweise punktförmige Blutungen in Abständen. Die entsprechen der relativ dünnen Epidermis an einigen Punkten, zwischen denen die Epidermis aber besonders dick ist, sodass da keine flächige Blutung auftritt. Oder bei einer nicht-psoriasiformen Haut würden diese punktförmigen Blutungsregionen eher homogen durchgehend sein. Bei der Psoriasis sind sie in Abständen zu sehen. Das muss man heutzutage… das kann man im Zweifelsfall hervorrufen. Das ist die reine Lehre.
Axel Enninger: Das haben wir alle früher mal angekreuzt in unseren Multiple-Choice-Prüfungen.
Peter Höger: Das machen wir auch manchmal noch. Ist auch nicht falsch. Es ist nicht falsch und im Zweifelsfall hilft es auch. Man wird, denke ich, heutzutage großzügiger sein, wenn man es jetzt gar nicht weiß, und eine Biopsie machen. Andererseits gilt die Regel in der Dermatologie: Wenn man bei einer vermuteten Psoriasis eine Biopsie braucht, dann ist es meist keine. Und das kann ich bestätigen. Das heißt, entweder ist man sich sicher und dann ist das klinische Bild so eindeutig oder es ist doch ein psoriasiformes Ekzem, was dann Übergänge darstellt zum atopischen Ekzem. Da gibt es als ganz wichtige Differentialdiagnose das sogenannte nummuläre Ekzem. Nummuläre Ekzeme, münzförmig, sind relativ scharf begrenzt, aber nicht so infiltriert und haben eine andere Art von Schuppung. Das Wort „erythematosquamös“ ist absolut reserviert für die Plaques der Haut bei der Psoriasis. Es ist absolut einzigartig, wie dort die Schuppung ist bei einem unbehandelten Herd: eine viel dickere Proliferation als beim atopischen Ekzem. Dahinter steckt die Pathogenese dieser Erkrankung. Die Psoriasis ist eine hyperproliferative Erkrankung. Dort ist tatsächlich der Umsatz der Keratinozyten erhöht, beim atopischen Ekzem nicht.
EINE HYPERPROLIFERATIVE ERKRANKUNG
Axel Enninger: Das heißt, die Schuppen sind einfach dicker.
Peter Höger: Die Schuppenschicht ist dicker und das entspricht der Tatsache, dass sich hier die Haut, die Epidermis, nicht einmal in 24 bis 28 Tagen erneuert, sondern in einem Schub der Psoriasis innerhalb von fünf bis sieben Tagen. Also vier- bis fünffach gesteigerter Umsatz der Keratinozyten in der Epidermis, was dazu führt, dass zum Beispiel ein Erwachsener, der in einem Schub der Psoriasis ist, über Nacht quantitativ 100 bis 120 Gramm Schuppen auf seinem Bett hinterlässt.
Axel Enninger: Unglaublich, 100 bis 120 Gramm!!
Peter Höger: 100 bis 120 Gramm im Schub einer generalisierten Psoriasis als Ausdruck dieser Hyperproliferation. Das ist extrem wichtig sich zu merken, dass das eine hyperproliferative Erkrankung ist, weil es ganz viele der Behandlungsansätze, die immer noch üblich sind – und in der Vergangenheit noch mehr – erklärt, die wir bei der Psoriasis, aber nicht beim atopischen Ekzem, einer nicht-hyperproliferativen Erkrankung, gebraucht haben.
Axel Enninger: Gehört das zu den Fragen, die man stellen muss? „Wie viele Schuppen finden Sie morgens im Bett?“
Peter Höger: Nein, das ist eher anekdotisch ein Beispiel dafür, wie stark der Stoffwechsel im Schub der Haut erhöht ist bei diesen Patienten. Wir haben kürzlich, vorletzte Woche, ein Kind aufgenommen mit einer Erythrodermie. Das ist eine dieser Komplikationen, die auch schon im Säuglingsalter auftreten kann, beim seborrhoischen Ekzem oder auch bei der Psoriasis. Da ist bei Kindern dann nicht die Tatsache, dass sie viele Schuppen verlieren wichtig, sondern die Tatsache, dass sie bei einer generalisierten Hautrötung, wie sie bei einer Psoriasis auftreten kann, Temperatur verlieren und Flüssigkeit tatsächlich durch die Haut. Es ist dann exsudativ. Es macht die Krankheit in dem Lebensalter bei ganz Kleinen tatsächlich lebensbedrohlich, wobei diese Komplikation glücklicherweise selten ist, aber es gibt sie.
EINEN HAUTARZT ANLACHEN, DER GUT MIT KINDERN UMGEHEN KANN
Axel Enninger: Wenn wir jetzt sagen, 1:100 ist die Häufigkeit und der Kinder- und Jugendarzt denkt daran: Ist er gut beraten, sie immer zu einem Hautarzt zu überweisen?
Peter Höger: Also ich bin in der Arbeitsgemeinschaft für Kinderdermatologie. Das ist eine interdisziplinäre Institution, in der etwa hälftig beide Fachrichtungen vertreten sind und ich kann nur dazu auffordern, dass der Dialog zwischen diesen beiden Fachrichtungen noch intensiver geführt wird. Sie sind leider immer schon etwas getrennt gewesen, häufig auch räumlich. Häufig waren früher die Hautkliniken ganz am Rande des jeweiligen Krankenhausgeländes. Wenn man überwiegend mit Infektionskrankheiten zu tun hatte, bei denen man im vorletzten Jahrhundert noch davon ausging, dass sie auch über die Luft übertragbar sein könnten, deswegen sind Hautkliniken immer so am Rand von größeren Krankenhausgeländen gewesen, und das hat sich irgendwie verinnerlicht. Dann kommt die für Nicht-Dermatologen manchmal befremdliche Unansehnlichkeit mancher Patienten im Schub einer schweren Hauterkrankung hinzu, die dazu geführt hat, dass man auch durch die anderen Fachrichtungen jetzt nicht integrativ bemüht war. Das ist schlecht und in erster Linie für die Patienten schlecht. Erstens werden diese stigmatisiert, aber zweitens ist gerade bei Kindern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr wichtig. Viele Hautkrankheiten können ernsthafte systemische Nebenwirkungen mit sich bringen. Viele sind auch Ausdruck einer systemischen Erkrankung und die Dermatologie ist aus der Inneren Medizin hervorgegangen. Die Kinderdermatologie übrigens aus der Pädiatrie. Unsere Altvorderen, Herr Finkelstein zum Beispiel in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts und andere haben Lehrbücher über Säuglingsdermatosen geschrieben und sich dabei auch gut abgestimmt mit den dermatologischen Kollegen. Der Dermatologe ist nicht so versiert, natürlich, im Umgang mit insbesondere kleineren Kindern. Früher gab es noch Hautstationen für Kinder in den Hautkliniken. Als Kinderarzt muss ich sagen, das ist natürlich obsolet, denn Kinder brauchen die Pflege durch Kinderkrankenschwestern und die Mitbetreuung durch Pädiater. Aber da ist das nicht mehr gibt und da der Konsiliardienst leider in den Kliniken manchmal nicht optimal ist, ist da absolut Verbesserungsbedarf. Um Ihre Frage kurz zu beantworten: Natürlich würde ich es sehr begrüßen und es würde dem Kind wirklich nutzen, wenn jeder so ein kleines Netzwerk hat. Jeder Kinderarzt, wie er es hat für Augenärzte und HNO-Ärzte, von denen man dann jeweils weiß, der und der Kollege kann gut mit Kindern umgehen, wenn man sich auch so einen Hautarzt anlacht.
Axel Enninger: Okay, Hautarzt anlachen ist das eine und im Zeitalter der Handyaufnahmen könnte man ja jetzt auch sagen: ‚Kann ich dir nicht mal ein Bild schicken?‘
Peter Höger: Ich kriege ganz viele solche Bilder. Mal ganz abgesehen von den datenrechtlichen Problemen, die so etwas mit sich bringt. Man könnte immer argumentieren, es geschieht ja mit Einverständnis der Eltern und in der Tat werden viele solche Fotos versandt. Das ersetzt nicht immer, sondern in einem Teil der Fälle den Dermatologen. Dermatologie ist nicht nur Fotos angucken. Das ist ein sehr, sehr weit verbreitetes Missverständnis, sondern man muss die Haut fühlen. Man muss die Ausdehnung und Lokalisation, wie eingangs schon gesagt, in Gänze sehen. Es hilft nicht, ein Foto von einer Hautregion zu bekommen. Man möchte auch möglichst selbst die Anamnese noch einmal erheben als Hautarzt unter dermatologischen Gesichtspunkten. Von daher ist ein Handyfoto ein Ansatzpunkt. Wir verwenden sie zum Beispiel, wenn wir entscheiden müssen, bei der Knappheit unserer Termine, wen müssen wir vorrangig sehen? Da gucken wir uns die Fotos an, aber die sind auch nur ein Indikator und erlauben auch oftmals nicht, eine Diagnose zu stellen. Trotzdem ist das ein erster Schritt.
Axel Enninger: Klare Nachricht an die Kinder- und Jugendärzte: Wenn ihr euch nicht sicher seid, guckt, dass ihr einen Hautarzt eures Vertrauens in eurer Nähe habt. Gerade bei dieser Frage, ist es jetzt wirklich eine Psoriasis oder nicht? Da bricht einem kein Zacken aus der Krone, wenn man das mal macht.
Peter Höger: Ja.
HILFT PENICILLIN UND MÜSSEN DIE MANDELN HERAUS?
Axel Enninger: Okay, dann hatten Sie vorhin schon, wenn wir jetzt die Diagnose gestellt haben, von Triggerfaktoren gesprochen und als einen Triggerfaktor haben Sie ja Streptokokken genannt. Da könnte ich ja jetzt sagen, dann behandele ich doch die Psoriasis am besten mit Penicillin, oder?
Peter Höger: Sie sollten die Streptokokken-Tonsillitis natürlich mit Penicillin behandeln, was sie auch tun. Leider ist dann aber schon ein Mechanismus angestoßen, sodass man die Penicillinbehandlung der schon manifesten Psoriasis bei Tonsillitis nicht mehr als kausal für die Psoriasis betrachten kann. Dazu gibt es in der Tat Studien, die gezeigt haben, dass man, wenn man die Streptokokken-Serologie, also den hohen ASL-Titer behandelt, was schon mal fragwürdig ist…
Axel Enninger: Ich dachte, das machen wir nicht mehr.
Peter Höger: Nein, das macht man nicht mehr, das hat man geprüft vor Jahren und Jahrzehnten, weil die Frage ja naheliegt, wenn es so ein wichtiger Triggerfaktor ist. Das bringt nichts. Die Antwort ist nein. Trotzdem muss ich sagen, was die Pathogenese betrifft, da kann man tatsächlich in den Plaques T-Zellen finden, die eine Spezifität aufweisen gegen Toxine von Streptokokken. Also da ist definitiv ein Zusammenhang gegeben, aber wir können ihn nicht mit Antibiotika behandeln. Und der nächste Schritt – und der wurde vor allen Dingen von Hautärzten gestellt – würde ja sein: Nehmen wir doch einfach die Tonsillen heraus. Es gibt kaum ein Organ, das nicht aus Gründen der Fokus-Sanierung in der älteren Dermatologie schon entfernt wurde. Das fängt bei den mutmaßlich als Foci dienenden Zähnen an, geht über die Tonsillen und endet nicht unbedingt zwingend immer bei den Uteri und Ovarien, die in den 50er, 60er Jahren als mögliche Foci entfernt wurden. Da gibt es Berge von Literatur dazu. Das mag zwar im Einzelfall mal ein Faktor sein, ein vereiterter Backenzahn bedarf auch so der Therapie, aber es wurde zum Exzess getrieben und man hat wirklich eine Fokus-Sanierung, so in den 70er, 80er, frühen 80er-Jahren, noch als Standard betrachtet bei einer Psoriasis.
Axel Enninger: Das heißt, die Streptokokken treten sozusagen ein immunologisches Geschehen los.
Peter Höger: Ja.
Axel Enninger: Und deswegen ist es sinnfrei, antibiotisch zu behandeln unter der Vorstellung, ich behandle die Psoriasis.
Peter Höger: Sie sind so lange behandlungsbedürftig wie da tatsächlich eine floride Infektion ist. Und selbstverständlich muss man einen vereiterten Backenzahn behandeln und eventuell – das kann ich nicht beurteilen als Nicht-Zahnarzt – auch ziehen. Und es gilt ja die Abmachung, die wir als Kinderärzte mit den HNO-Ärzten haben, dass mehr als drei eitrige Tonsillitiden pro Jahr ein Grund wären, darüber nachzudenken, die Mandeln zu entfernen. Aber diese Zahl muss erst mal erreicht werden. Das heißt, die Antwort auf die dahintersteckende Frage ist: Bitte nicht die Tonsillen entfernen. Auch wenn es – dazu gibt es retrospektive, aber interessanterweise auch prospektive Studien – auch wenn es im Einzelfall einen Benefit haben könnte, würde ich als Kinderarzt unbedingt dafür plädieren, dieses Immunorgan so lange wie möglich zu belassen.
Axel Enninger: Das ist ja bei der Streptokokken-induzierten Arthritis ähnlich. Da ist es auch so. Da ist ein Streptokokkeninfekt, dann kriege ich eine Arthritis und da hilft das Penicillin ja auch nicht, weil es immunologisch einfach schon zu spät ist.
Peter Höger: Ja. Eine Exotoxinreaktion und eine Aktivierung von T-Zellen.
Axel Enninger: Trotzdem lohnt sich es, nach Foci zu gucken. Sie haben die Tonsillen genannt. Der Kindergastroenterologe legt Wert darauf, dass Streptokokken-induzierte Anitis nicht ganz selten ist. Das ist ja etwas, das ich tatsächlich relativ häufig in der Sprechstunde sehe. Bisschen blutige Stühle und dann guckt man sich den Po an und denkt: ‚Upps, da wachsen Streptokokken.‘
Peter Höger: Genau. Die perianale Streptokokken-Dermatitis ist so wie die Streptokokken-Tonsillitis ein Triggerfaktor bei entsprechender Disposition für die Psoriasis. Das ist literaturgängig. Darf ich noch einen Satz zur Pathogenese sagen? Die Studien, die ich eben nannte, mit den prospektiven Entfernungen der Tonsillen in freiwilligen Kollektiven – wohlgemerkt Erwachsenen – stammen interessanterweise aus Island. In Island hat man ein relativ homogenes Kollektiv von Patienten, auch genetisch homogen. Und dort wurde tatsächlich ein HLA-Merkmal identifiziert, das, wenn es vorliegt, den Zusammenhang zwischen Streptokokkeninfektion und anschließender Manifestation einer Psoriasis nahelegt. Das heißt, nur wer dieses Merkmal hat, hat einen Benefit davon, wenn überhaupt, hat einen Benefit davon, die Tonsillen entfernt zu bekommen. Die anderen, die dieses HLA-Merkmal nicht haben, nicht. Also, wenn man schon als Erwachsenen-Mediziner daran denken sollte, dann sollte man heutzutage dieses spezifische HLA-Antigen bestimmen.
Axel Enninger: Da können wir ja mal eine Umfrage bei den HNO-Ärzten machen, ob sie diesen Zusammenhang kennen und dann auch noch den HLA-Typus dazu nennen können.
Peter Höger: Ja, genau. [Lachen beide.]
Axel Enninger: Wäre…
Peter Höger: … ein Reizthema.
Axel Enninger: Also sagen wir, das Thema Triggerfaktor haben wir erwähnt, es ist ja nun auch wirklich ein häufiges Thema, aber wir können eigentlich nichts tun, außer den Fokus zu behandeln.
Peter Höger: Ja.
EHER LEICHTE PSORIASIS: ZUERST KERATOLYSE, DANN TOPISCHE STEROIDE
Axel Enninger: Was tun Sie denn sonst therapeutisch?
Peter Höger: Es ist eine Erkrankung mit einer Hyperproliferation, die dazu führt, dass es überstark verhornte Regionen gibt. Man kann überspitzt formulieren: Die Psoriasis ist eigentlich keine Hauterkrankungen, sondern eine durch T-Zellen induzierte Entzündung, die auf unschuldige Keratinozyten trifft. Beim atopischen Ekzem haben wir einen Barrieredefekt in der Epidermis als Grundlage, als eine der wichtigsten Grundlagen, neben der überstarken Entzündung. Bei der Psoriasis haben wir keinen Barrieredefekt, sondern T-Zellen, die über verschiedene Signale die Keratinozyten dazu bringen, vermehrt zu proliferieren. Wir müssen an die Entzündung ran und bei einer leichter ausgeprägten Psoriasis – was das ist, können wir gleich noch besprechen – genügt eine externe Therapie. Bei der muss man bedenken, dass wir die Hornschicht zunächst verdünnen müssen, um an das eigentliche entzündete Gebiet heranzukommen. Das bedeutet, dass man nicht Steroide auf eine deutlich verdickte Psoriasis-Plaque geben sollte. Die kommen gar nicht da an, wo die Entzündung ist. Als erster Schritt der Behandlung muss eine Keratolyse erfolgen. Wir müssen also die betroffenen Hautareale verdünnen.
Axel Enninger: Das können wir dann schon festhalten. Es bringt überhaupt nichts, auf die Schuppen Steroide schmieren. Es kommt nicht dahin. Also das heißt, Nummer 1 ist, die Schuppen müssen runter.
Peter Höger: Die Schuppen müssen runter, dort wo sie entsprechend verdickt sind. Und das macht man – wir als Kinderärzte sind es gewohnt – mit unterschiedlichen Stoffen, je nach Lebensalter. Im ersten, zweiten Lebensjahr ist Salizylsäure gänzlich verboten. Das wird transkutan resorbiert und kann zu einer metabolischen Azidose führen. Im höheren Lebensalter ist die großflächige Anwendung von Salizylaten immer noch potenziell toxisch, wenn wir es großflächig anwenden. Also zum Beispiel mehr als zwei oder drei Handflächen bei einem Kleinkind: Das wäre falsch. Da gibt es tatsächlich Berichte über systemische Nebenwirkungen. Im Kleinkindes- und Säuglingsalter brauchen wir daher etwas anderes als Salizylsäure, auch wenn die deutlich wirksamer ist. Bei Säuglingen würde man durch Baden und durch Wasser viel machen können und dann durch Fettcreme versuchen, die aufzulösen. Das ist die harmloseste, nebenwirkungsärmste Behandlung. Bei Kindern nach dem zweiten Lebensjahr kann man Harnstoff als natürliche Substanz, die keratolytisch wirkt, in einer Konzentration bei Psoriasis von 10 %, bei älteren Kindern auch bis 15 % oder 20 % lokal einsetzen. Kleinflächig ab dem Kleinkindesalter dann auch beginnen mit Salizylsäure. Am Kopf würde man abwaschbares Salizylöl, das ist eine Magistralrezeptur, Betonung auf abwaschbar, verwenden. Und je jünger das Kind, umso niedriger die Konzentration. Bei Kleinen würde man nicht über 1 %, maximal 1,5 % gehen. Bei größeren Kindern kann man auch 2 % und bei Adoleszenten auch 2,5 % Salizylsäure verwenden. Das ist für die Kopfhaut besonders wichtig.
Axel Enninger: Wie lange muss ich das machen?
Peter Höger: Das muss angewendet werden jeweils über Nacht. An jedem Morgen muss dann die Kopfhaut gewaschen werden. Und je nach Intensität der Plaques kann man eigentlich nach 5 bis 7 Tagen täglicher Anwendung das eigentliche Behandlungsgebiet wieder erkennen.
Axel Enninger: Okay, das heißt, es ist schon eine relativ mühsame Vorbereitung für alle Beteiligten.
Peter Höger: Ist so. Gerade bei der Kopfhaut, die häufig diffus mit ganz fest haftenden Schuppenplaques bedeckt ist. Und da bringt es nichts, irgendwelche Wirkstoffe anzuwenden, bevor man nicht die Schuppen entfernt hat.
Axel Enninger: Ok, gilt aber auch für die Nicht-Kopfhaut. Grundregel: Die Plaques müssen runter und das dauert.
Peter Höger: Richtig. Und das ist natürlich sehr unterschiedlich von der Lokalisation. Bei intertriginösen Lokalisationen haben wir deutlich weniger bis gar keine Schuppenplaques und können gleich anfangen. Bei Stammlokalisation müssen wir erst einmal keratolytisch behandeln.
FÜR KINDER AB ZWEI AM BESTEN MOMETASON TOPISCH, DANN VITAMIN-D3-ANALAGON, ABER 30-PROZENT-REGEL BEACHTEN
Axel Enninger: Okay, dann habe ich die Plaques runter und dann?
Peter Höger: Es ist eine hyperproliferative Erkrankung. Wir wollen die Proliferation drosseln. Das wollen wir übrigens nicht beim atopischen Ekzem. Das bedeutet, wir brauchen bei der Psoriasis stärker potente Steroide und eine häufigere und auch etwas längere Anwendung. Bei der Psoriasis verwenden wir daher, initial zumindest, in aller Regel zumindest jenseits des zweiten Lebensjahres nicht Klasse-2-Steroide, wie wir es beim atopischen Ekzem tun, sondern Klasse-3-Steroide. Und da ist das Mittel der Wahl Mometason topisch. Mometason ist ein Klasse-3-Steroid, das einen sehr guten therapeutischen Index hat. Das heißt, das messbare Verhältnis zwischen den Wirkungen, die man möchte und den Nebenwirkungen, die man nicht will, ist bei Mometason günstig. Es ist bei anderen Substanzen, die auch eingesetzt werden, wie Betamethason oder insbesondere Clobetasol, ein Klasse-4-Steroid, nicht so. Dort haben wir ein hohes Risiko der transkutanen Resorption und auch der Hautatrophie. Daher setzen wir eigentlich Klasse-4-Steroide bei Kindern nie ein und unter den Klasse-3-Steroiden nur Mometason. Das würden wir initial, anders als beim atopischen Ekzem, in der Regel zweimal täglich einsetzen. Und zwar bis wir einen Effekt sehen. Es kann zwei Wochen dauern. Und dann einmal täglich und dann ausschleichend. Da kommt es sehr auf die Lokalisation an. Im Anogenitalbereich und auch intertriginös würden wir Steroide nach Möglichkeit vermeiden, weil dort ein erhöhter resorptiver und Atrophie-Effekt zu befürchten ist. In diesen Problemarealen würden wir einen topischen Calcineurin-Inhibitor einsetzen. Auch das ähnlich wie beim atopischen Ekzem.
Axel Enninger: Okay. Das heißt, ich mache tatsächlich so etwas wie eine Remissions-Induktionstherapie.
Peter Höger: Genau.
Axel Enninger: Und das kann unterschiedlich lang dauern.
Peter Höger: Ja und dann kommt die Phase der – als Schlagwort – der „Differenzierungsförderung“ der Keratinozyten. Da kommt als Substanz in erster Linie topisch Vitamin D, ein Vitamin-D3-Analogon, in Betracht wie Calcipotriol, das topisch in Kombination zunächst mit dem topischen Steroid oder Calcineurin-Inhibitor gegeben wird. Auf längere Sicht reduziert man den Steroidanteil und behandelt dann mit dem Vitamin-D-Derivat weiter, was die Remission erhalten kann. Hier gilt es auch, gerade in der Pädiatrie, vorsichtig zu sein. Die Körperoberflächenregel ist sehr wichtig bei den Vitamin-D-Derivaten. Nicht mehr als 30 % der Körperoberfläche. Sonst haben wir hier auch resorptive Effekte, die zu einer Hyperkalzämie führen können.
Axel Enninger: Okay, das heißt tatsächlich, die Vitamin-D-Spiegel steigen.
Peter Höger: Ja.
Axel Enninger: Okay, war mir nicht klar, dass das so durch die Haut geht.
Peter Höger: Ganz, ganz wichtig zu beachten. Also 30 Prozent! Wenn jetzt jemand zu 60 % betroffen ist, das gibt es – mal abgesehen davon, dass in dem Fall auch eine Systemtherapie, auf die wir noch gesondert eingehen werden, in Betracht kommt – wenn wir aber bei einem ausgedehnt von einer Psoriasis betroffenen Kind Vitamin D einsetzen möchten, dann gilt die Regel, dass wir an alternierenden Tagen jeweils einen Teil der Körperoberfläche behandeln und am nächsten den anderen, um diese 30-Prozent-Regel nicht zu verletzen.
BEI PASI-SCORE 10 UND HÖHER: TOPISCHE THERAPIE PLUS ADALIMUMAB
Axel Enninger: Das klingt ja jetzt schon ziemlich aufwendig, war aber ja nur für die vermeintlich einfachen Fälle. Sie haben vorhin schon gesagt, das sind die einfachen. Was sind denn die Kriterien für kompliziert? Und wenn man sich das noch mal vergegenwärtigt, was Sie vorhin gesagt haben, wir reden da über ein T-Zell-Problem, dann denkt man: ‚Naja, jetzt muss da irgendein Immunsuppressivum ran, oder?
Peter Höger: Absolut. Ich finde das Wort Immunmodulans heutzutage besser, weil wir ja immer gezielter einzelne Komponenten des Immunsystems blockieren können und mit einem pauschalen Immunsuppressivum, wie zum Beispiel Methotrexat – was nach wie vor eine gewisse Bedeutung hat in der pädiatrischen Rheumatologie und Dermatologie – oder Azathioprin alles niederbügeln. Also zunächst eine Lokaltherapie ist auch bei den schweren Formen zumindest anfangs weiter erforderlich. Es dauert eine gewisse Zeit, bis die Wirkung eintritt und solange brauchen wir auch bei den Schweren eine Lokaltherapie. Deswegen ist es wichtig, diese 30-Prozent-Regel einzuhalten. Heutzutage sind wir bei der Therapie der systemischen Psoriasis im Kindesalter in der glücklichen Lage, unter mehreren zugelassenen Biologika wählen zu können. Wir hatten gerade im Sommer und Frühherbst die letzte Konferenz der Kommission, die die Leitlinie für die Behandlung der Psoriasis im Kindes- und Jugendlichenalter aktualisieren will und haben uns sehr lange darüber unterhalten, ob Methotrexat noch eine Bedeutung hat. Das Problem bei Methotrexat ist, dass es nicht für diese Indikation zugelassen ist und niemals war. Aber andererseits, der besondere Charme der Substanz ist, dass wir sie seit 50 Jahren kennen und genau wissen, was wir tun und Langzeiteffekte bekannt sind. Und man sagen kann, es gibt keine Langzeiteffekte, die wir nicht kennen und das gilt für modernere Biologika nicht. Deswegen gibt es noch einen gewissen Stellenwert, vor allen Dingen zum Beispiel bei der Psoriasisarthropathie, wie mir Kinder-Rheumatologen sagen, aber ansonsten ist das Mittel der ersten Wahl für die Behandlung der Psoriasis, wenn sie systemisch behandelt werden muss, Adalimumab.
Axel Enninger: Wann müssen wir denn Adalimumab anwenden?
Peter Höger: Als Richtlinie gilt die 10er-Regel. Das bedeutet ein PASI-Score von mindestens 10. PASI bedeutet „Psoriasis Area and Severity Index“. Den kann man sich vom Internet runterladen. Das ist ein, ich würde sagen, 40 Jahre lang etablierter, allerdings etwas kompliziert zu berechnender Wert, der aber weltweit bekannt ist. PASI-Score von 10. Mehr und mehr wichtig ist auch der Score für die Lebensqualität des Kindes. Diagnoseunabhängig gibt es international standardisierte dermatologische Life Quality Index-Instrumente, mit denen wir erfassen können, wie sehr ist ein Kind durch die stigmatisierende Erkrankung Psoriasis beeinträchtigt? Und auch hier gilt die 10er-Regel. Ab 10 ist es eine sichere Indikation.
Axel Enninger: Die können wir ja in die Shownotes tun, so dass die Zuhörerinnen und Zuhörer, die das gerne nachlesen wollen… Die beiden Scores kann man dann dort nachlesen.
Peter Höger: Ja. Also, das definiert die Schwere. Man kann immer noch Abweichungen begründen, wenn zum Beispiel von der Fläche die Ausdehnung nicht dazu führt, dass ein PASI von 10 erreicht wird, aber sich das ganze Geschehen im Gesicht abspielt und das Kind höchstgradig stigmatisiert ist. Dann ist auch das ein Grund: wenn einzelne Regionen schwerst betroffen sind. Das Gleiche gilt für den Anogenitalbereich. Auch das ist stigmatisierend und kann per se dazu führen, dass man sich früher zu einer Systemtherapie entscheidet.
Axel Enninger: Okay. Noch mal wieder die Analogie, ich verstehe ja von anderem nichts, in der Kindergastroenterologie gibt es für den Crohn zum Beispiel Predictors of Poor Outcome. Das ist ja etwas, was man sich für die Psoriasis sicher auch wünschen würde.
Peter Höger: Ja.
Axel Enninger: Gibt es sowas oder ist es tatsächlich das Ansprechen? Und dann wird es nicht besser.
Peter Höger: Ja. [Versprecher]. Sorry, Predictor of Severity wäre die Erstmanifestation einer pustulösen Psoriasis. Das ist etwas, das wir sehr, sehr ernst nehmen müssen und auch als Zeichen für eine mögliche, erhebliche Chronizität und hohen Schweregrad zu werten haben. Das Gleiche gilt für die schon erwähnte Erythrodermie. Das sind Komplikationen der Psoriasis, die auch prognostisch ungünstig sind. Ebenso die sehr frühe Manifestation einer ausgedehnten Psoriasis im ersten Lebensjahr.
Axel Enninger: Und dann ist man eben tatsächlich dabei, eine immunmodulatorische Therapie zu starten. Und da haben Sie vorhin schon gesagt: Adalimumab.
Peter Höger: Mittel der ersten Wahl. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass man gleich mit einem Generikum beginnen sollte, egal wie charmant die Pharmareferentin ist, die gerade einen Hausbesuch gemacht hat. Adalimumab gibt es unter verschiedenen Namen und es gibt verschiedene Studien mittlerweile, die zeigen, dass die Generika dem Original absolut gleichwertig sind, sodass ich in diesem Fall, aber auch was andere Biologika betrifft, dafür plädieren möchte, gleich auf die Generika einzustellen. Man kann auch unproblematisch – entgegen vielen Suggestionen – unproblematisch umstellen. Wenn ein Patient auf das Originalpräparat eingestellt war, kann man ohne Probleme auf ein Generikum umstellen.
ZWEI CUT-OFFS BEI 3 MONATEN: KEINE WIRKUNG? UMSTELLEN. REMISSION? THERAPIEPAUSE VERSUCHEN.
Axel Enninger: Und das geht wie bei uns, subkutan alle zwei Wochen, oder wie?
Peter Höger: Ja, das ist so. Das ist ein Nachteil, je kleiner das Kind ist. Wir brauchen Spritzen. Die Injektion ist alle zwei Wochen. Man sollte zwei Termine, finde ich beachten, was die Dauer der Therapie betrifft. Zum einen: Es gibt Patienten, die nicht ansprechen und denen sollte man nicht ad infinitum dann immer wieder dieses Mittel spritzen, in der Hoffnung, es wird schon irgendwann kommen. Drei Monate ist so ein Cut-off. Wer nach 3 Monaten nicht eine deutliche Besserung seines Hautbefundes zeigt, der sollte umgestellt werden. Zweiter Cut-off: Wenn die Psoriasis komplett in Remission ist, sollte man auch einen Versuch machen, eine Pause einzusetzen. Das ist kein Problem. Es steht nirgendwo geschrieben, dass man die Behandlung 1, 2 oder 4 Jahre fortsetzen muss. Wenn die Haut erscheinungsfrei ist, und zwar schon zwei, drei Monate, dann ist spätestens der Punkt gekommen, wo man eine Pause machen sollte.
Axel Enninger: Das machen Sie mit Intervallverlängerung? Oder gleich versuchen ohne oder wie machen wir das?
GAME-CHANGER BIOLOGIKA UND ZUSÄTZLICHE OPTIONEN
Peter Höger: Da gibt es verschiedene Schemata, aber keines, das wirklich etabliert ist. Das Problem bei Adalimumab ist – und das ist ja glücklicherweise nur eines, das zugelassen ist – dass wir hier auch mit einem Nachlassen der Wirksamkeit zu rechnen haben durch die Bildung von Antikörpern. Das ist weniger ausgeprägt bei anderen Biologika und kann dazu führen, dass es erst einmal gut wird und dann irgendwann nicht mehr. Auch das wäre ein Grund, dann umzustellen. Da möchte ich die anderen Zugelassenen noch nennen. Die haben jeweils einen bestimmten Charme. Der besondere Charme aus meiner Sicht, das kommt auch in den neuen Leitlinien zum Ausdruck, liegt bei Ustekinumab. Ustekinumab ist mittlerweile auch eine lang bewährte Substanz, Stichwort: Sicherheit. Langzeituntersuchungen sind bekannt. Es ist wirksamer als Adalimumab, wie Vergleichsuntersuchungen zeigen, und es hat den Charme, dass man deutlich längere Injektionsintervalle hat. Das ist für kleine Kinder relevant. Man injiziert am Tag 0, am Tag 30 und dann nur noch alle 3 Monate, hat also eine Substanz, die seltener injiziert werden muss, viel seltener Antikörper hat und wirksamer ist. Und das wäre das Mittel der Wahl. Zugelassen ist es allerdings nur dann, wenn man zeigen kann, auf eine Substanz, sei es Methotrexat oder Adalimumab, hat das Kind nicht angesprochen. Die weiteren neueren Biologika sind Secukinumab und Ixekizumab. Sie sind seit einem Dreivierteljahr etwa zugelassen für Kinder ab sechs Jahren. Darüber haben wir lange in der Leitlinienkommission geredet. Charme ist, sie sind noch etwas besser wirksam als die anderen genannten Biologika. Nachteil aus pädiatrischer Sicht: Eine Langzeitsicherheit können wir hier noch nicht geben. Wir haben es schon längere Zeit bei Erwachsenen, aber die Studien, die zur Zulassung geführt haben, gehen über ein halbes Jahr. Und da gibt es dann Nachbeobachtungen, die vielleicht über ein, zwei Jahre gehen, aber nicht länger. Als Kinderarzt möchte ich immer maximale Sicherheit. Von daher sind das aus meiner Sicht erst einmal Reserve-Biologika, bei denen wir froh sind, dass es sie gibt, um schwerere Formen, die nicht auf die Vorgenannten ansprechen, behandeln zu können.
Axel Enninger: Ist es bei Ihnen auch so gewesen, dass die Einführung dieser Biologika echte Game-Changer waren? Das würden wir für die chronisch entzündliche Darmerkrankungen ganz besonders so sehen.
Peter Höger: Natürlich, absolut. Viele Dinge sind auch mittlerweile obsolet, obwohl sie wirksam sind. Die Lichttherapie, zum Beispiel, würde ich jetzt nicht komplett als obsolet betrachten, aber sie ist sehr mühselig. Sie birgt, je jünger das Kind ist, umso mehr ungeklärte Risiken einer möglichen, auf ganz lange Sicht – von 20, 30, 40 Jahren – erhöhten Rate von Hautkrebs. Das ist nicht widerlegt. Ich sage nicht, dass es bewiesen ist. Problem! Deswegen empfehlen wir auch, da sind wir uns ziemlich einig bei den Kinderdermatologen, eine Lichttherapie als zusätzliche Option nicht vor der Pubertät, also ab dreizehn, vierzehn kann es im Einzelfall sinnvoll sein. Bei der Psoriasis haben wir eben dann auch von der Praktikabilität etwas bessere Methoden in Form dieser injektabilen Substanzen, die nicht tägliches Rennen in die Hautarztpraxis zur UV-Therapie mit sich bringen. Die Dithranol-Therapie ist eine sehr, sehr alte, sehr bewährte Behandlung. Sie ist aber sehr kompliziert. Da muss praktisch täglich die Dosis nach Wirkung angepasst werden. Damit ist bedauerlicherweise diese preiswerte, wirksame und verträgliche Behandlung eine, die langsam aus dem Blickfeld gerät. Bedauerlicherweise muss man einerseits sagen.
Axel Enninger: Ich habe noch eine Frage zu den TNF-α-Antikörpern. Wir wenden ja beim Crohn immer noch Infliximab an und was wir bei Infliximab nicht so ganz selten zu sehen, ist, dass sie tatsächlich schuppige Läsionen, häufig hinter den Ohren, kriegen, was ein bisschen paradox klingt.
Peter Höger: Klar, ist auch paradox. Die paradoxe Psoriasis ist bekannt, auch bei anderen Biologika. Ich denke, das hängt mit der selektiveren Wirksamkeit dieser Biologika zusammen. Durch die Blockade eines Entzündungsweges wird unter Umständen ein anderer – und es sind mehrere Mechanismen, die bei der Psoriasis eine Rolle spielen – aktiviert. Ein ähnliches Phänomen wird diskutiert bei der Behandlung des atopischen Ekzems mit Dupilumab, wo wir Interleukin-4 blockieren, aber unter Umständen – es gibt so ein Phänomen der persistierenden Gesichtsrötung dabei bzw. des Neuauftretens von Ekzemenherden in bis dato nicht bekannten Regionen – da wird diskutiert, dass das eine bis dahin blockierte Kontakt-Sensibilisierung, also ein TH1-induziertes Phänomen ist, nachdem wir TH2 durch Dupilumab blockieren. Das ist eine der Thesen, die das erklären soll. So würde man analog vielleicht auch mit dem Infliximab und anderen argumentieren.
KINDER MIT EKZEM SIND OFT UNTERIMPFT
Axel Enninger: Okay, jetzt können wir festhalten, Psoriasis: T-Zellen spielen eine große Rolle und Immunmodulatoren spielen in der Therapie eine große Rolle. Da ist die Frage des Kinder- und Jugendarztes oft: ‚Wie steht es mit dem Impfen?‘ Wie lautet Ihre Empfehlung?
Peter Höger: Da richten wir uns regelhaft nach den möglichst einheitlichen Empfehlungen auch der Gastroenterologen – wir verwenden die gleichen Substanzen – und der Kinder-Rheumatologen. Das heißt, wir würden die Impfantwort potenziell vermindern unter einer Fortführung der MTX-Therapie oder indem wir gerade schlecht koordiniert eine Impfung in der Induktionsphase von Adalimumab geben. Da würde ich versuchen, einen Abstand zu halten von 4 Wochen, um eine Impf-Antikörper-Antwort zu induzieren, die sicher und ausreichend ist. Das ist gerade relevant jetzt bei Corona.
Axel Enninger: Ich habe jetzt bei ein paar Patienten, die unter Biologika waren, und die Corona-geimpft sind, mal die Antikörper gemessen. Sie haben wunderbar Antikörper entwickelt. Thema Lebend- und Totimpfung müssen wir, glaube ich, noch differenzieren.
Peter Höger: Auch da gilt analog: Problematischer sind die Lebendimpfungen, da würde ich einen Abstand empfehlen. Bei den Totimpfstoffen kann er kleiner sein. Ich hatte eben das Beispiel gebracht: Wir leiten eine Behandlung ein. Da haben wir dann noch die Zeit, noch zwei, drei, vier Wochen länger lokal zu behandeln, ehe wir Adalimumab geben, und die Impfung abzuschließen. Das würde ich vorziehen, wenn wir einleiten. Wenn Sie schwerkranke Patienten haben, dann ist es eine Risikoabwägung, ob Sie eine Therapiepause einlegen können, um effektiver zu impfen, oder unter laufender Therapie eine Impfung durchführen.
Axel Enninger: Das ist so ein Thema, mit dem wir Gastroenterologen ja auch häufig konfrontiert sind. Aus meiner Sicht immer ein Argument dafür, den STIKO-Kalender einzuhalten. Eltern, die dann sagen: ‚Ja, wir wollten das später machen.‘ Da beißt man sich manchmal tatsächlich in den Bauch. Wenn man dann sagt: Okay, jetzt hätten wir die Varizellen-Impfung noch nachholen müssen und gleichzeitig hat man eine Erkrankung, die man aktuell nicht gut behandeln kann.
Peter Höger: Da würde ich aber dringend bei Lebendimpfungen zu einer Pause raten.
Axel Enninger: Oder eben aufschieben und erst später behandeln, was blöd ist. Und deswegen glaube ich tatsächlich, STIKO-Impfungen nach Plan haben durchaus ihren Sinn.
Peter Höger: Ja. Wenn ich das noch einfügen darf, beim atopischen Ekzem erleben wir ganz häufig – wird ja überwiegend erst manifest im ersten Lebensjahr – dass Impfungen noch nicht durchgeführt worden sind, weil auch der niedergelassene Kinderarzt Angst hat, ein Kind mit Ekzem zu impfen. Das ist falsch. Es ist durch multizentrische, prospektive Studien gezeigt worden, dass die Wahrscheinlichkeit der Manifestation des Ekzems absolut nicht abhängt von der Impfung. Also diese Kinder sind häufig unterimpft und sollten besser geimpft sein.
Axel Enninger: Herr Höger, wir kommen zum Abschluss dieses Gespräches und da gibt es eine Tradition. Und diese Tradition heißt, Sie dürfen zwei Dinge als positive Nachricht loswerden, zwei Dos: Bitte denken Sie daran, bitte machen Sie, und zwei Don’ts. Da dürfen Sie Dinge sagen, die Sie entweder nerven oder wo Sie sagen würden: ‚Bitte, bitte, liebe Kollegen, lasst es sein!‘
DO UND DON´T: ZUSAMMENARBEITEN MIT HAUTARZT UND NIEMALS ORALE STEROIDE
Peter Höger: Ja, also das erste Do ist ganz klar „Do seek a dermatologist!“, wenn wir Englisch sprechen. Die Zusammenarbeit mit Hautärzten ist wirklich für beide Seiten gewinnbringend. Gerade bei so einer chronischen Erkrankung wie Psoriasis. Wichtig: „Do not!“; ich habe es vorhin nicht erwähnt, aber einer der Kunstfehler, eine der ersten Sachen, die man in der Weiterbildung zum Dermatologen lernt, ist, niemals – ohne Ausnahme – niemals eine Psoriasis mit oralen Steroiden behandeln. Denn: Es wird zunächst wunderbar, aber, wenn man die – was man ja tun muss – die oralen Steroide absetzt, dann macht man aus einer unter Umständen bis dato schwer behandelbaren Psoriasis eine nicht mehr behandelbare Psoriasis. Das heißt, es kommt wirklich zu einer Explosion mit massiver Eiteransammlung in der Haut, in der Epidermis. Und das ist ganz unbedingt zu vermeiden. Passiert aber und deswegen: bitte nicht! Sie sollten sich das beim atopischen Ekzem im Übrigen auch dreimal überlegen, viermal besser, ob Sie orale Steroide geben. Die sind im Prinzip, wenn nicht zusätzlich eine schwere allergische Reaktion vorliegt, auch beim atopischen Ekzem obsolet. Das sind dann die Fälle einer nicht erkannten Psoriasis, die oral behandelt wurden, wo man so richtig Probleme bekommt. Das sind meine wichtigsten Dos and Don’ts.
Axel Enninger: Vielen Dank. Also ich finde, alle Kolleginnen und Kollegen, die bis jetzt durchgehört haben, es hat sich eindeutig gelohnt. Psoriasis ist kein Randthema, sondern tatsächlich ein wichtiges Thema, mit dem wir alle uns beschäftigen sollten. Ich danke Ihnen noch mal ganz herzlich für das Gespräch, lieber Herr Höger.
Peter Höger: Sehr gern.
Axel Enninger: Und liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können unser Gespräch nachlesen in den Shownotes. Sie bekommen da auch die Links zu den Leitlinien bzw. zu einem Themenheft Psoriasis, das demnächst herauskommen wird. Zusätzlich würden wir uns freuen, wenn Sie a) diesen Podcast weiterempfehlen würden und b) wenn es Ihnen gefallen hat, Sie auch noch eine entsprechende Bewertung abgeben würden. Vielen Dank fürs Zuhören!
Sprecherin: Das war consilium, der Pädiatrie-Podcast. Vielen Dank, dass Sie reingehört haben. Wir hoffen, es hat Ihnen gefallen und dass Sie das nächste Mal wieder dabei sind. Bitte bewerten Sie diesen Podcast und vor allem empfehlen Sie ihn Ihren Kollegen. Schreiben Sie uns gerne bei Anmerkung und Rückmeldung an die E-Mail-Adresse consilium@infectopharm.com. Die E-Mail-Adresse finden Sie auch noch in den Shownotes. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zur nächsten Folge!