AD(H)S

Die Buchstabenfolge AD(H)S steht für Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts)-Störung und ist auch bekannt unter den Begriffen Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) oder Hyperkinetisches Syndrom (HKS). Dabei beschreibt die AD(H)S eine psychische Auffälligkeit, die besonders häufig bei Kindern und Jugendlichen vorkommt.

Liebe Eltern, liebe Patienten*,

AD(H)S – dies sind ein paar Buchstaben, die das Leben aller Beteiligten verändern, denn eine Diagnose der Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts)-Störung (AD(H)S) hat leider auch heute noch mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Durch mangelndes Wissen halten sich viele falsche Annahmen standhaft. Tatsache ist, dass AD(H)S nicht die Ursache einer falschen Erziehung ist. Und AD(H)S hat auch nichts mit einer verringerten Intelligenz betroffener Kinder zu tun. Wir möchten dies ausdrücklich unterstreichen und mit dieser Broschüre wissenschaftlich darüber aufklären, was die Ursachen der Erkrankung sind und wie eine Diagnose gestellt werden kann.

AD(H)S ist fast immer über die ganze Kindheit und Jugend hinweg, manchmal auch bis in das Erwachsenenalter hinein, ein herausforderndes Störungsbild. Dieser Ratgeber soll Eltern dabei helfen, erste Symptome einer AD(H)S zu erkennen, eine Hilfestellung für das alltägliche Leben mit ihrem Kind mit AD(H)S sein und Möglichkeiten zur Behandlung und Unterstützung aufzeigen. Jedes Kind mit AD(H)S hat verschiedene Schwächen, aber zugleich auch persönliche Stärken, die individuell gefördert werden sollten. Die vorliegende Broschüre gibt einen ersten Überblick und fundierten Einstieg in das Thema.

 

*Alle Leserinnen und Leser sind uns unabhängig von ihrem Geschlecht gleichermaßen wichtig und willkommen. Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Heft überwiegend nur eine Gender-Form. Wir danken für Ihr Verständnis.

„Doch der Philipp hörte nicht, was zu ihm der Vater spricht. Er gaukelt und schaukelt, er rappelt und zappelt auf dem Stuhle hin und her.“

Kommen Ihnen diese Worte und Erfahrungen so oder ähnlich aus Ihrem eigenen Umfeld bekannt vor? Natürlich stammen sie im Original aus dem „Struwwelpeter“ aus der Fassung von 1859. Erstmals veröffentlichte der Arzt und Psychiater Heinrich Hoffmann das Buch im Jahr 1844 und ergänzte es später um weitere Geschichten. Diese beschreiben in oft drastischer Weise die Konsequenzen von fehlerhaftem Verhalten von Kindern.

In heutiger Zeit erscheinen diese Geschichten aus pädagogischer Sicht zumindest fragwürdig, sind aber aus psychiatrischem Blickwinkel heraus äußerst interessant, stellen sie doch nach neuerer Einschätzung eine der ersten Beschreibungen der AD(H)S in der Literatur dar. Nicht ganz zufällig ist AD(H)S noch heute unter anderem als das „Zappelphilipp-Syndrom“ bekannt.

Die Buchstabenfolge AD(H)S steht für Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts)-Störung und ist auch bekannt unter den Begriffen Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS, siehe nächster Abschnitt) oder Hyperkinetisches Syndrom (HKS). Dabei beschreibt die AD(H)S eine psychische Auffälligkeit, die besonders häufig bei Kindern und Jugendlichen vorkommt.

Im „Struwwelpeter“ zeigt „Hanns Guck-in-die-Luft“ Probleme in der Aufmerksamkeit bzw. Konzentration, der „Zappelphilipp“ ist von innerer Unruhe getrieben und der „böse Friedrich“ ist impulsiv und aggressiv. Zusammengenommen spiegeln diese drei Verhaltensweisen die Kernsymptomatik der AD(H)S in unterschiedlicher Ausprägung wider.

Seit dem „Struwwelpeter“ hat die medizinisch-wissenschaftliche Einschätzung der AD(H)S eine enorme Wandlung erfahren. Anfangs noch als neutral angesehen, wurde AD(H)S Ende des 19. Jahrhunderts erstmals als Erkrankung wahrgenommen. Doch bereits Anfang des 20. Jahrhunderts änderte sich dies noch einmal und AD(H)S wurde in der Folge eher als moralischer Defekt bewertet. Heute weiß man, dass AD(H)S eben nichts mit einem moralischem Defekt oder vermeintlich schlechter Erziehung zu tun hat, sondern ein Syndrom mit verschiedensten Ursachen ist, das seit 1987 endgültig unter dem Namen AD(H)S anerkannt wird.

ADHS Was ist das?

Was im Allgemeinen bereits zur Verunsicherung führt, ist die ungewöhnliche Schreibweise von AD(H)S mit dem eingeklammerten H. Auch die Abkürzung ADS wurde im Abschnitt zuvor bereits verwendet. Doch was steckt tatsächlich hinter den verschiedenen Abkürzungen, stehen sie vielleicht für unterschiedliche Erkrankungsbilder?

Hier führen die drei Kernsymptome der AD(H)S weiter: Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität. In der Vergangenheit wurde eher von einem starren Erkrankungsbild ausgegangen. Patienten mit Problemen bei der Aufmerksamkeit und Konzentration, aber ohne auffällige Hyperaktivität, ordnete man der ADS zu, der Aufmerksamkeitsdefizitstörung ohne Hyperaktivität (ADS). Bei Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen und zusätzlicher Hyperaktivität spricht man von der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Der Unterschied besteht also im Auftreten einer Hyperaktivität.

Die Ausprägung der einzelnen Symptome variiert stark und ist vor allem nicht konstant, sondern verändert sich während der normalen Entwicklung des Kindes.

Mittlerweile wird AD(H)S auch häufig als Oberbegriff verwendet und nicht mehr in verschiedene Subtypen wie ADHS und ADS unterschieden. Vielmehr werden die unterschiedlichen Ausprägungen der Symptome verschiedenen und veränderbaren Erschei- nungsformen zugeordnet. Man unterscheidet hierbei:

> eine kombinierte Erscheinungsform mit Auffälligkeiten in allen Kernsymptomen

> eine überwiegend unaufmerksame Erscheinungsform (häufiger bei Mädchen und mit zunehmendem Alter) -> entspricht der ADS

> eine überwiegend hyperaktiv-impulsive Erscheinungsform (häufiger bei Jungen)

Um deutlich zu machen, dass, wenn wir in den folgenden Abschnitten von ADHS reden, alle verschiedenen Erscheinungsformen gemeint sind und auch die verbreitete Abkürzung ADS eingeschlossen ist, haben wir uns für die Schreibweise AD(H)S entschieden.

ADHS ADS Unterschied

Abbildung 1: ADHS und ADS – Was ist der Unterschied?

Im Folgenden werden zunächst die drei Leitsymptome der Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts)-Störung (AD(H)S) näher untersucht.

Die Aufmerksamkeitsstörung

Liegt eine Aufmerksamkeitsstörung vor, fällt es dem Kind zum Beispiel schwer, begonnene Tätigkeiten konzentriert durchzuführen und abzuschließen. Dies kann sich z. B. dadurch äußern, dass das Kind häufig aufgrund einer verkürzten Aufmerksamkeitsspanne und verlangsamter Arbeitsgeschwindigkeit nicht rechtzeitig mit Klassenarbeiten fertig wird. Die Gedanken schweifen sehr leicht ab und können zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her springen.

ADS Aumerksamkeitsstörung

Sowohl durch innere Ablenkung in Form von Wegträumen als auch durch äußere Reize wird das Kind oftmals leichter abgelenkt, z. B. durch ein Geräusch, einen am Fenster vorbeifliegenden Vogel oder einen Geruch.

Weitere Beispiele für eine verminderte Aufmerksamkeit sind

>  das Überlesen, Überhören oder Übersehen von Details oder Aufgabenstellungen,

>  häufiges Verlegen und Verlieren von Gegenständen,

>  Probleme, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren, z. B. Aufgaben Schritt für Schritt zu bearbeiten oder Arbeitsmaterial zu ordnen,

>  die Vermeidung länger andauernder Tätigkeiten, vor allem von Tätigkeiten mit geringer individueller Attraktivität für das Kind (Hausaufgaben, Alltagspflichten),

> der Eindruck von Abwesenheit, durch den die Kinder wirken, als ob sie nicht zuhören würden.

ADHS ADS Hyperaktivität

Hyperaktivität

Eine Hyperaktivität eines Kindes wird erstmals häufig vor allem im Kindergarten- oder Grundschulalter auffällig, wenn von außen vorgegeben wird, wann man still und konzentriert sein muss. Ein betroffenes Kind ist oftmals ruhelos und es fällt ihm schwer, ruhig zu sitzen oder zu spielen. Insbesondere ständiges Zappeln oder Aufstehen können Anzeichen sein.

Weitere Hinweise sind

> eine große innere Unruhe (nicht still sitzen, herumzappeln, spielen mit Kleidung/ Haaren oder Gegenständen),

> das Fuchteln mit Händen und Armen,

> lautes und überdrehtes Spielen,

> ein häufiger Wechsel der Tätigkeit.


Impulsivität

Eine Impulsivität kann dadurch deutlich werden, dass es Ihrem Kind schwer fällt, bestimmte soziale Regeln einzuhalten. Es fällt ihm schwer abzuwarten, bis es an der Reihe ist (z. B. in Gesprächen) oder auf das Ende einer Frage zu warten. Das erschwert es ihm, sich in soziale Gruppen einzubinden. Oft werden auch Aktionen und Handlungen begonnen, ohne zuvor über die Konsequenzen des Handelns nachzudenken. Impulsivität zeigt sich so häufig auch dadurch, dass Kinder

>  sich vordrängeln oder andere beim Spielen oder im Gespräch unterbrechen,

>  Aktionen oder alles, was als Regel vorgegeben ist, nicht bedenken und an die äußeren Umstände anpassen, AD(H)S-Betroffene wirken hierdurch oftmals taktlos,

>  soziale Signale anderer (Genervt sein etc.) übersehen oder ignorieren,

>  allgemein oft sehr ungeduldig sind.

Essenzielle Symptome, die mit AD(H)S verbunden sind, sind Defizite im Gedächtnis, wodurch Aufträge zum Beispiel schlecht gemerkt oder schnell wieder vergessen werden können und ein großer Aufwand betrieben werden muss, um Dinge zu erlernen und zu automatisieren.

Ein weiteres störungsspezifisches Problem stellen Defizite in der Motivation der Betroffenen dar. Durch Veränderungen im Dopamin-Stoffwechsel im Gehirn benötigen Betroffene schnell erreichbare positive Verstärker/Belohnungen, um konzentriert und anhaltend einer Aufgabe zu folgen. Im Alltag stellt gerade dieses Defizit eines der größten Hindernisse für eine erfolgreiche Schullaufbahn dar.

Viele betroffene Kinder haben große Leistungsprobleme in der Schule und weisen oftmals schlechtere Fähigkeiten beim Lesen und Schreiben oder in Mathematik auf. Zudem ist häufig ein Entwicklungsrückstand bei der Sprachkompetenz zu beobachten. Sehr häufig kommen auch motorische Defizite hinzu, z. B. erhebliche Schwierigkeiten in der Graphomotorik (Handschrift) hinzu.

Je nach Schwere der Symptome kann das familiäre Zusammenleben vor große Herausforderungen gestellt werden. Kennzeichnend für AD(H)S ist, dass Probleme in verschiedenen Lebensbereichen vorkommen, sodass neben den drei Kernsymptomen von AD(H)S häufig noch andere Schwierigkeiten auftreten.

Die Symptomatik der AD(H)S führt dazu, dass vor allem die hyperaktiv-impulsiven Kinder häufiger in Konflikte geraten, z. B. durch andauerndes Unterbrechen der anderen Kinder, ungestümes Verhalten und störende Unruhe. Hierdurch fällt es dem Kind schwer, in Gruppen akzeptiert zu werden und Freunde zu finden. Oft wird versucht, soziale Bindungen mit Aggressivität und Dominanz zu erzwingen. Dauerhafte Ablehnung belastet die Psyche und kann zu emotionalen Problemen führen.

ADHS ADS Impulsivität

Oppositionelles und aggressives Verhalten ist bei Kindern mit AD(H)S weit verbreitet. Hierzu zählen das Nichtbefolgen von Regeln/ Anweisungen von Lehrkräften oder Eltern, oftmals kombiniert mit vermehrten Wutausbrüchen und Streitigkeiten.

Die emotionalen Probleme treten häufig im Kontext der schulischen Belastung auf. Durch erfahrene Ablehnung können sich Ängste und Unsicherheiten entwickeln und vor allem das Selbstbewusstsein leidet. Viele Kinder trauen sich immer weniger zu. Bei manchen Betroffenen kann sich hieraus eine Depression entwickeln.

Bei vielen Kindern ist die Beziehung zu den Eltern belastet. Durch ständige Konflikte bekommen beide Seiten das Gefühl, von der jeweils anderen Seite nicht verstanden zu werden.

Auch Schlafprobleme kommen vermehrt bei Kindern mit AD(H)S vor. Gerade Kindern mit einer hohen Impulsivität und Hyperaktivität fällt es abends oft schwer, zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen.

Konkrete Tipps zum Umgang mit der AD(H)S Ihres Kindes finden Sie weiter unten im Abschnitt Tipps für den Alltag.

Früher wurde angenommen, dass AD(H)S nur im Kindes- und Jugendalter besteht und sich mit zunehmendem Alter „auswächst“. Heutzutage weiß man allerdings, dass bei rund 60 % der Betroffenen Symptome bis in das Erwachsenenalter hinein bestehen. Die Ausprägung der einzelnen Symptome verändert sich allerdings in den verschiedenen Altersgruppen zumeist. So lassen Hyperaktivität und Impulsivität in der Pubertät reifungsbezogen nach, die Aufmerksamkeitsstörung hält deutlich länger an.

Im Kleinkind- und Kindergartenalter ist eine Diagnose der AD(H)S meist noch recht schwer. Bei Kleinkindern können ein besonders hohes Aktivitätsniveau und häufiges Schreien Anzeichen sein. Auch erste Entwicklungsverzögerungen beim Erlernen des Laufens und Sprechens können ein Hinweis sein.

Insbesondere im Kleinkind- und Kindergartenalter ist die individuelle Entwicklung von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Beschriebene Anzeichen sind daher keineswegs ein sicheres Zeichen für eine spätere AD(H)S.

Das Grundschulalter ist der häufigste Zeitpunkt, an dem eine mit Hyperaktivität gepaarte AD(H)S diagnostiziert wird. Durch zusätzliche Regeln und Anforderungen durch die Schule steigt die Belastung für die Kinder an. Dies führt zu einer Überforderung und sie können die an sie gestellten Anforderungen (notwendige Konzentration, Ruhe) nicht mehr erfüllen, wodurch die Symptome deutlicher sichtbar werden. Insbesondere Hyperaktivität und Impulsivität treten stärker hervor und können den Verdacht einer AD(H)S-Erkrankung begründen. Durch Anweisungen von Lehrern und Lehrerinnen, Problemen bei den Hausaufgaben und etwaiger Ablehnung durch die Klassenkameraden werden zudem aggressive Verhaltensweisen verstärkt. Mit zunehmendem Alter nimmt die Hyperaktivität oftmals ab.

ADHS ADS Altersgruppen

Ein großes Risiko in diesem Alter tragen Kinder mit AD(H)S, die an der überwiegend unaufmerksamen Erscheinungsform leiden. Da diese oftmals nicht übermäßig auffallend ist, wird sie oft übersehen. Insbesondere wenn die betroffenen Kinder eine hohe Intelligenz besitzen, sind sie meist lange in der Lage, etwaige Probleme kontinuierlich zu verheimlichen. Die Auswirkungen sind aber bei ihnen ebenso gravierend wie bei den überwiegend hyperaktiv-impulsiven Kindern. Die Diagnose einer AD(H)S wird bei diesen

Kindern häufig erst mit fortgeschrittener Zunahme der schulischen Belastung gestellt.

Im Jugendalter stehen Aufmerksamkeitsprobleme und teilweise noch die Impulsivität verstärkt im Vordergrund. Probleme bestehen vor allem in der mangelnden Motivation, schulischen Pflichten nachzukommen und sich altersbezogen ausreichend selbstständig organisieren zu können. Bereits vorher bestehende aggressive Verhaltensweisen verstärken sich oft und können zu vermehrten Konflikten mit Regeln und Gesetzen führen.

ADHS ADS Jugendalter

Bei Erwachsenen, bei denen AD(H)S fortbesteht, existiert eine Hyperaktivität meist nicht mehr. An ihre Stelle tritt vermehrt eine innere Unruhe. Bestehen weiterhin Aufmerksamkeitsstörungen und Impulsivität, führt dies teilweise zu Problemen im Berufsleben und sozialen Beziehungen. Erwachsene, bei denen bis dahin noch keine Diagnose der AD(H)S gestellt worden ist, werden zuerst meist mit anderen Problemen, wie z. B. Depressionen oder Burn-out beim Arzt vorstellig. Im Zuge dieser Behandlung kann dann eine schon seit der Kindheit bestehende AD(H)S auffällig werden.

Viele Patienten leiden neben AD(H)S an weiteren Erkrankungen, Störungen oder Syndromen, die als Komorbiditäten bezeichnet werden. Man unterscheidet dabei, ob eine Komorbidität unabhängig von AD(H)S ist, aber häufig mit ihr zusammen auftritt (z. B. Ticstörungen), oder ob eine Komorbidität eine direkte Folge der AD(H)S ist (häufig Depressionen im Erwachsenenalter).

Das Auftreten von Komorbiditäten bei AD(H)S-Betroffenen ist sehr häufig. Rund 60 % der Kinder mit AD(H)S weisen auch mindestens eine weitere Komorbidität auf. Komorbiditäten erschweren die Diagnosestellung für die AD(H)S, weil sie diese überlagern können.

Die häufigsten Komorbiditäten bei Kindern sind

> Autismus (bis zu 50 % der Betroffenen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) erfüllen umgekehrt auch die Kriterien einer AD(H)S)

> Angststörungen

> Ticstörungen (Tourette-Syndrom)

> Depressionen

> Zwangsstörungen

> eine Lese-Rechtschreibstörung

> Störungen des Sozialverhaltens

Bei Kindern steht zu Beginn meist die Behandlung von AD(H)S im Vordergrund, hinzu kommt die Therapie begleitender Entwicklungs- und Lernstörungen, da sich aus ihr viele der Komorbiditäten ergeben.

ADHS ADS Komorbiditäten1ADHS ADS Komorbiditäten2

Die Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts)störung (AD(H)S) ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen. In Deutschland geht man davon aus, dass rund 5 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3–17 Jahren an AD(H)S erkrankt sind.

Die Verteilung innerhalb der Geschlechter ist allerdings ungleichmäßig, denn insgesamt sind Jungen rund 3- bis 4-mal häufiger betroffen als Mädchen. Man geht davon aus, dass die Erkrankung bei Mädchen häufiger unentdeckt bleibt als bei Jungen. Mädchen sind zudem zahlreicher vom AD(H)S-Typ mit verringerter Aufmerksamkeit betroffen.

Betroffene Jungen leider häufiger am Subtyp von AD(H)S, welcher durch eine hohe Hyperaktivität und Impulsivität charakterisiert ist, wodurch sie schneller auffällig und beim Arzt vorgestellt werden.

ADHS ADS Häufigkeit

Bisher sind die Ursachen nicht vollständig geklärt, allerdings ist man sich sicher, dass eine Kombination mehrerer genetischer, neurobiologischer und psychosozialer Faktoren für die Entstehung und Aufrechterhaltung verantwortlich ist:

Bei AD(H)S liegt eine funktionale Störung bestimmter Areale im Gehirn vor, welche für Konzentration, Impulskontrolle und Wahrnehmung verantwortlich sind. Ein Grund hierfür ist ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin, die die Signale zwischen den Nervenzellen des Gehirns weiterleiten. Liegt Dopamin nicht in ausreichender Menge vor, werden Reize gestört weitergeleitet oder neue Reize und Gedanken nicht unterbunden. Es kommt zu einem „Chaos“ der Gedanken.

Psychosoziale Ursachen sind kein alleiniger Auslöser, können die Symptomatik allerdings verstärken. Hierzu zählen: psychische Erkrankung eines Elternteils, ein hoher Stresspegel innerhalb der Familie, inkonsequente Erziehung oder ein insgesamt niedriger sozio-ökonomischer Status.

Untersuchungen haben gezeigt, dass AD(H)S in erheblichem Ausmaß genetisch bedingt ist. Innerhalb von Familien konnte eine Häufung von AD(H)S-Fällen festgestellt werden und Studien mit Zwillingen haben gezeigt, dass diese häufig die gleichen Symptome aufweisen. Auch in den Bereichen der DNA, die für die Bildung von Dopamin verantwortlich sind, weisen sie ähnliche Veränderungen auf.

Der Einfluss von Umweltfaktoren ist nicht abschließend geklärt, jedoch zählen zum Beispiel Alkohol- und/oder Nikotinkonsum der Mutter während der Schwangerschaft und eine extreme Frühgeburtlichkeit zu den Risikofaktoren. Auch der Kontakt zu Quecksilber, Pestiziden oder Nahrungsmittelzusätzen wird als Risiko diskutiert.

ADHS ADS Ursache

Wie zuvor bereits beschrieben, liegt bei AD(H)S eine funktionale Störung der Reizübertragung im Gehirn und dort zwischen den Nervenzellen vor. Um Reize (Sinnesempfindungen, Informationen für das Gehirn oder Anweisungen vom Gehirn hin zu den Muskeln) von einer Nervenzelle zur nächsten zu übertragen, werden Botenstoffe benötigt. Zwei der wichtigsten Botenstoffe sind Dopamin und Noradrenalin.

Empfängt eine Nervenzelle einen Reiz von einer anderen Nervenzelle, schüttet sie Dopamin aus. Das Dopamin wird seinerseits in einen Raum zwischen zwei Nervenzellen ausgeschüttet, den man synaptischen Spalt nennt.

Die Nervenzelle, an die der Reiz weitergegeben werden soll, besitzt sogenannte Rezeptoren, welche erkennen, dass Dopamin im synaptischen Spalt vorhanden ist – der Reiz wurde an sie weitergegeben.

Die empfangende Nervenzelle wiederum schüttet an ihrem anderen Ende ebenfalls Dopamin aus, um den Reiz an die nächste Nervenzelle weiterzugeben und so fort. Jede Nervenzelle besitzt ein Ende, um den Reiz wahrzunehmen (dort sitzen die Dopaminrezeptoren) und ein anderes Ende, an welchem Dopamin ausgeschüttet wird. Nachdem der Reiz an die nachfolgende Nervenzelle weitergegeben wurde, wird Dopamin wieder aus dem synaptischen Spalt entfernt. Es wird von der Nervenzelle aufgenommen, welche es auch ursprünglich ausgeschüttet hat. Verantwortlich hierfür sind sogenannte Wiederaufnahmetransporter. Dieser Schritt ist entscheidend, damit der Botenstoff wieder zur Verfügung steht, wenn ein neuer Reiz weitergeleitet werden soll.

Bei AD(H)S-Betroffenen ist dieser wichtige Prozess gestört. Es ist zwar noch nicht vollständig geklärt, was genau die Ursache ist, allerdings geht man davon aus, dass entweder zu wenig Dopamin produziert wird und/oder das Dopamin zu schnell wieder aus dem synaptischen Spalt entfernt wird. Dies führt dazu, dass die Weiterleitung des Reizes gestört ist und das Gehirn nicht mehr unterscheiden kann, was wichtig und was unwichtig ist. Dies erklärt eine Vielzahl an Symptomen.

   

Abbildung 2 (links): Reizübertragung bei einem gesunden Menschen

Abbildung 3 (rechts): Reizübertragung bei einem Menschen mit AD(H)S

Die Diagnose einer AD(H)S ist herausfordernd und muss von entsprechenden Fachärzten und -ärztinnen gestellt werden. Die erste Anlaufstelle ist meist eine pädiatrische Praxis, in der anhand von Untersuchungen, durch die Beschreibungen der Eltern und anhand eigener Schilderungen des Kindes die Möglichkeit einer AD(H)S beurteilt wird. Die endgültige Diagnose muss von Fachleuten für Kinder- und Jugendpsychiatrie und auf das Störungsbild spezialisierte (Neuro-)Pädiater z. B. in Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) gestellt werden. Bis es so weit ist, werden verschiedene Tests und Befragungen durchgeführt.

Die Diagnose AD(H)S wird nicht leichtfertig gestellt, da sie einen erheblichen Einfluss auf alle Beteiligten hat. Sie kann erst nach ausgiebigen Tests erfolgen.

Die Schwierigkeit bei der Diagnose von AD(H)S ist, dass es keine Symptome oder Blutwerte gibt, die nur für AD(H)S charakteristisch sind. Zudem sind die Kernsymptome von AD(H)S bei fast jedem Kind im Verlauf der Entwicklung in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden. Manche Eltern und vielleicht auch Sie selbst sorgen sich deshalb, dass Ihr Kind einfach besonders lebhaft oder etwas verträumt ist und vorschnell mit AD(H)S diagnostiziert wird. Um dieses auszuschließen, wurden genaue Diagnosekriterien erarbeitet. Zu diesen Kriterien gehört, dass:

> innerhalb der drei Kernsymptome eine Mindestanzahl an Anzeichen auftreten muss (z. B. im Bereich der Hyperaktivität das Herumzappeln oder Aufstehen während des Unterrichts etc.),

> die Verhaltensauffälligkeit mindestens über 6 Monate andauert,

> das Verhalten mehr als einen Lebensbereich betrifft (z. B. Schule und Familienleben),

> die Symptomatik den Alltag stark beeinträchtigt (z. B. schulische Leistungen, keine sozialen Kontakte),

> andere psychische Erkrankungen als Ursache ausgeschlossen werden können.

Die Aufgabe der Diagnostik ist es daher auch, in hohem Maße sicherzustellen, dass tatsächlich AD(H)S vorliegt und etwaige andere Störungsbilder oder medizinische und psychosoziale Ursachen ausgeschlossen werden können. Hierzu zählen z. B. Nebenwirkungen durch Medikamente, aber auch die Frage, ob vielleicht generell eine schulische Überforderung vorliegt. In sehr seltenen Fällen können die Auffälligkeiten auch an einer schulischen Unterforderung liegen und im Rahmen der Diagnostik stellt sich eine Hochbegabung des Kindes heraus.

Darüber hinaus muss untersucht werden, ob es vorliegende Komorbiditäten gibt, die bei der Behandlung ebenfalls zu berücksichtigen sind. Am Ende geht es darum, ein optimales individuell zugeschnittenes Therapiekonzept für jedes Kind zu erarbeiten.

Für die Diagnostik und die Behandlung der AD(H)S ist von ärztlichen Facharztgruppen eine Leitlinie entwickelt und veröffentlicht worden. Diese zeigt Ärzten und Ärztinnen den aktuellen Erkenntnisstand auf, sodass diese jeweils nach neuesten Empfehlungen handeln können.

Damit die Diagnose AD(H)S getroffen werden kann, stehen Pädiatern verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die in Kombination angewendet werden. Ein zentrales Element sind die Untersuchungsgespräche. Diese dienen dazu, Sie und Ihr Kind gemeinsam und auch getrennt voneinander zur aktuellen Symptomatik zu befragen. So werden Sie als Eltern genau darstellen sollen, in welchen Situationen sich welche Symptomatik äußert, wie lange die Probleme schon bestehen (schon seit Geburt, erst seit Kurzem etc.). Dabei wird auch versucht herauszufinden, ob andere Ursachen plausibel infrage kommen. Sofern Sie damit einverstanden sind und es Arzt oder Ärztin sinnvoll erscheint, werden auch Gespräche mit Lehrkräften, Erziehenden in der Kita oder weiteren Bezugspersonen geführt: Ziel ist es, das individuelle Bild zu komplettieren, z. B. auch über Zeugnisse und Verhaltensbeurteilungen des Kindes.

Unterstützend zu den Untersuchungsgesprächen werden häufig Fragebögen für Sie, Ihr Kind oder weitere Bezugspersonen eingesetzt. Die Fragebögen sind in der Regel standardisiert, werden also bei jedem Fall in gleicher Art und Weise eingesetzt. So wird sichergestellt, dass die gegebenen Antworten mit standardisierten Antworten und Antworten anderer Betroffener zu vergleichen sind. Abweichungen fallen schneller auf und erleichtern so eine exakte Diagnosestellung.

Bei den standardisierten Fragebögen zur AD(H)S gibt es keine „falschen“ Antworten und eine Diagnose wird nie nur anhand einer spezifischen Antwort getroffen.

Während der Untersuchungsgespräche wird Ihr Kind auch sehr genau beobachtet. Aufgrund der ärztlichen Erfahrungen werden hier oftmals schon typische Auffälligkeiten erkannt, zum Beispiel, ob Ihr Kind einfach nur aufgeregt oder tatsächlich hyperaktiv agiert. Auch bewusst nachgebildete Situationen, zum Beispiel beim Spielen oder Lesen, spiegeln die persönlichen Reaktionen Ihres Kindes wider.

Weiter werden verschiedene Tests zum Entwicklungsstand Ihres Kindes durchgeführt, z. B. bezüglich der Lese- und Schreibfähigkeiten, teilweise auch „Intelligenztests“. Diese Tests dienen dazu, dass eine schulische Über- oder Unterforderung Ihres Kindes ausgeschlossen werden kann. Darüber hinaus können auch Tests erfolgen, die die Konzentrationsfähigkeit oder Impulsivität Ihres Kindes überprüfen.

Zu einer vollständigen AD(H)S-Diagnostik gehört zudem immer auch eine umfassende körperliche Untersuchung, um andere Ursachen für Symptome ausschließen zu können. Hier kommt eine routinemäßige Überprüfung der Hör- und Sehfähigkeit infrage, aber auch neurologische Tests oder die Messung der Hirnströme (EEG). Zusätzlich werden Sie zur bisherigen Krankengeschichte Ihres Kindes befragt, um etwaige Auffälligkeiten mit aufzunehmen.

Unter Berücksichtigung aller Ergebnisse entscheiden Arzt oder Ärztin sodann, ob tatsächlich eine AD(H)S vorliegt und falls ja, mit welchem Subtyp und mit welcher Schwere. Davon abhängig wird eine passende Therapie konzipiert.

Wurde nach einer umfassenden Diagnostik die Diagnose AD(H)S gestellt, kann in Absprache mit Ihnen und Ihrem Kind (abhängig vom Alter) ein Therapieplan erstellt werden. Es ist von großer Wichtigkeit, Ihr Kind in das Behandlungskonzept zu integrieren, um es selbst für die Therapie zu motivieren.

Oberstes Therapieziel ist es stets, die Lebensqualität Ihres Kindes und auch Ihre eigene Situation entscheidend zu verbessern. Die Therapie wird individuell angepasst und berücksichtigt

>  das Alter Ihres Kindes,

>  die Schwere der Symptome und die daraus resultierenden Folgen für Ihr Kind und sein Umfeld,

> etwaige Komorbiditäten

Um eine optimale Therapie zu gewährleisten, sollte nach Möglichkeit immer das Umfeld (Kita, Schule, Freundeskreis etc.) mit in das Behandlungskonzept einbezogen werden. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten ist mitentscheidend für den Erfolg.

Grundsätzlich basiert eine Therapie bei AD(H)S immer auf einer Kombination verschiedener Bestandteile (auch „Bausteine“ oder „Säulen“ genannt). Deshalb wird das Behandlungskonzept auch als multimodale Therapie bezeichnet.

Abhängig von der zugrunde liegenden Symptomatik wird entschieden, welche Bausteine zu den Bedürfnissen Ihres Kindes passen. Bei funktionierender Therapie wird es Ihrem Kind möglich sein, eine gewisse Kontrolle über seine Symptome zu erlangen. Zentrale Elemente auf dem Weg dorthin sind Beratung und Aufklärung, eine Verhaltenstherapie und auch Medikamente. Ab einem mittleren Schweregrad der Symptomatik wird der Einsatz von Medikamenten laut Leitlinie empfohlen und ist bei schwerer Symptomatik unumgänglich.

ADHS ADS Therapiekonzept

Beratung und Aufklärung

Einer der Bausteine, der zu jeder AD(H)S-Therapie dazugehört und mit dem begonnen wird, ist eine umfassende Beratung und Aufklärung. Ein Baustein, den Sie, sollte Ihr Kind mit AD(H)S diagnostiziert worden sein, auch mit diesem Ratgeber bereits für sich entdeckt haben. Je älter das Kind bzw. der Jugendliche ist, desto wichtiger sind intensive, meist mehrere Aufklärungsgespräche mit der/dem Betroffenen im Störungsverlauf.

Dieser Baustein wird auch als Psychoedukation bezeichnet und soll Sie und Ihr Kind umfassend über die Erkrankung informieren. Hierzu zählen Informationen über die Ursachen, den Verlauf und generelle Erläuterungen zur Erkrankung, aber auch die daraus entstehenden Probleme im Alltag.

Zusätzlich wird über Behandlungsmöglichkeiten geredet und es werden pädagogische Informationen darüber vermittelt, wie Krisen-, Problem- und Konfliktsituationen bewältigt werden können. Die Beratung erfolgt in der Regel durch Ihren behandelnden Arzt bzw. Ihre Ärztin in Form von Gesprächen. Zusätzlich erhalten Sie gegebenenfalls auch weiteres Infomaterial. Schließlich können auch Selbsthilfegruppen oder deren Internetseiten dabei helfen, weitere Erkenntnisse über die

Erkrankung und ihre Behandlungsmöglichkeiten zu bekommen.

Ziel dieses Bausteins ist es, zunächst eine Grundlage an Wissen zu schaffen, sodass Sie und Ihr Kind später gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin entscheiden können, welche weiteren vertiefenden Maßnahmen am besten für die Therapie geeignet sind.

ADHS ADS Beratung Aufklärung

Verhaltenstherapie

Ziel einer Verhaltenstherapie ist es, dass problematische Verhaltensweisen erkannt und so weit wie möglich reduziert werden. Gleichzeitig geht es darum, positives Verhalten zu erlernen und zu fördern. Infrage kommen Therapien für Ihr Kind, für Sie selbst und für die gesamte Familie.

Schulungen und Trainings für Eltern können ein wichtiges Element der Therapie sein. Sie erlernen dort Techniken, wie Sie in problematischen Situationen agieren können, um Ihr Kind in bester Weise beim Erlernen von lösungs- und zielorientierten Verhaltensweisen zu unterstützen. Weitere Dinge, die Sie als Eltern lernen, sind

>  realistische Erwartungen an Ihr Kind zu stellen,

>  sich selbst nicht zu überfordern und sich nach Möglichkeit Unterstützung im Umfeld zu holen (Partner, Großeltern),

>  die Stärken Ihres Kindes zu fördern,

>  die Einübung eines konsequenten Erziehungsstils sowie

>  Methoden zur Stressbewältigung.

Bei einer starken Problematik innerhalb der Familie kann auch eine Familientherapie unter verhaltenstherapeutischer Ausrichtung sinnvoll sein. Hierbei werden besonders problematische Situationen innerhalb der Familie herausgearbeitet und gemeinsam konkrete Lösungsstrategien dafür entwickelt. Überprüft wird dabei auch, inwieweit bei anderen Familienmitgliedern ebenfalls Probleme bestehen. Oftmals führt eine Verringerung ihrer Probleme auch zu einer Verminderung der AD(H)S-Symptomatik beim betroffenen Kind.

Von besonderer Bedeutung ist selbstverständlich die individuelle Therapie für Ihr Kind. Je nach Alter kann diese Therapie in einer Gruppe oder als Einzeltherapie durchgeführt werden. Anhand eines Trainingsprogramms lernt Ihr Kind mithilfe von positiver Verstärkung (Belohnung bei positivem Verhalten) und Sanktionierung bei negativem Verhalten ein „richtiges“, angemessenes Verhalten.

Auch die häufige Wiederholung von erwünschten Verhaltensmustern führt zu einem Lerneffekt. Der Therapeut wird Ihrem Kind daher ebenso Strategien vermitteln, wie es sich besser organisieren kann. Mithilfe von Spielen kann die Frustrationstoleranz und die Konzentrationsfähigkeit verbessert und im Rahmen von Gruppentherapien können zudem soziale Kompetenzen trainiert werden.

Die Wirksamkeit von Verhaltenstherapien wurde schon bewiesen. Aggressives Verhalten wird gelindert und die sozialen Kompetenzen nehmen zu.

Medikamentöse Therapie

Bei einer besonderen Schwere der Symptomatik oder einer ausbleibenden Besserung durch andere Maßnahmen wie der Verhaltenstherapie kann es im Verlauf häufiger notwendig sein, Ihr Kind ergänzend mit Medikamenten zu behandeln. Teilweise macht auch eine medikamentöse Therapie eine Verhaltenstherapie erst möglich, wenn zunächst durch Medikamente eine ausreichende Aufmerksamkeit bzw. Hyperaktivitäts-/Impulskontrolle erreicht worden ist. Die Entscheidung über den Einsatz von Medikamenten wird Ihr Arzt bzw. Ihre Ärztin zusammen mit Ihnen treffen.

ADHS ADS Medikamentöse Therapie

Kriterium für den Einsatz von Medikamenten ist die Stärke der AD(H)S- Symptomatik, die stets im Zusammenhang mit der daraus resultierenden Belastung des Kindes und seiner Familie (starke Schulleistungsprobleme, sozialer Ausschluss in der Gleichaltrigengruppe, Belastung der Eltern-Kind- oder Geschwisterbeziehungen) betrachtet wird.

Für die Behandlung stehen insgesamt fünf verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung:

> Methylphenidat
> Lisdexamfetamin
> Dexamfetamin
> Guanfacin
> Atomoxetin

Bei Kindern wird empfohlen, eine Therapie mit Methylphenidat zu beginnen, einem Wirkstoff, der schon lange bei AD(H)S eingesetzt wird und dessen Wirksamkeit gut dokumentiert ist. Bei Nichtansprechen oder Komorbiditäten wie Ticstörungen können auch andere Wirkstoffe eingesetzt werden. Die Wirkstoffe haben in ihren Formulierungen eine Wirkdauer von 6 bis 24 Stunden und müssen daher meist nur einmal täglich eingenommen werden.

Eine alleinige medikamentöse Therapie von AD(H)S ist nicht zulässig. Die Gabe von Medikamenten muss immer von Maßnahmen wie der Verhaltenstherapie unterstützt werden.

Insgesamt haben alle Wirkstoffe gezeigt, dass sie die Symptome von AD(H)S lindern und ein wichtiger Baustein bei der Therapie sein können. Ihr Arzt wird mit dem Mittel der Wahl langsam die Dosis steigern, bis eine gute Wirkung bei gleichzeitig geringen Nebenwirkungen eintritt. Hierzu wird Ihr Kind engmaschig beobachtet und auch Ihre Einschätzung berücksichtigt werden.

Wie bei allen Medikamenten können auch bei der Einnahme von Medikamenten gegen AD(H)S Nebenwirkungen auftreten. Allgemein weisen die Substanzen aber ein vergleichbar gutes Nebenwirkungsprofil auf und etwaige Nebenwirkungen verschwinden nach Absetzen der Medikamente meist schnell.

Beobachten Sie alle auftretenden Auffälligkeiten und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin. Möglicherweise hilft bei der Medikation eine Dosisanpassung oder ein Wechsel auf einen anderen Wirkstoff.

Die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie sollte mindestens einmal im Jahr mit Hilfe eines Auslassversuchs (Absetzen des Medikaments nach Rücksprache mit dem Arzt) überprüft werden.

Neben den bereits aufgezeigten Therapiemaßnahmen gibt es weitere Möglichkeiten, Ihr Kind zu unterstützen:

Sport

Sport ist häufig in der Lage, viele der AD(H)S-Symptome zu lindern. Studien bestätigen, dass regelmäßiger Sport gegen Hyperaktivität hilft und sowohl motorische als auch kognitive Fähigkeiten verbessern kann. Welcher Sport betrieben wird, ist relativ nebensächlich, und sollte nach den persönlichen Vorlieben des Kindes ausgewählt werden, denn Sport ist nur förderlich, wenn er dem Kind auch Freude bereitet. Weitere positive Aspekte des Sports sind

>  das Trainieren von Koordination,

>  die Steigerung des Selbstbewusstseins,

>  die Möglichkeit, neue Freunde und Gemeinschaft in einem Team zu finden,

>  eine größere Bereitschaft, gemeinsamen Regeln zu folgen.


Neurofeedback

Bei der Methode des Neurofeedbacks werden die Hirnströme Ihres Kindes gemessen und auf einem Bildschirm sichtbar gemacht. Die eigentlich komplexen Wellen der Hirnströme werden für das Kind vereinfacht dargestellt, z. B. in Form eines Autos oder eines Flugzeugs. In spielerischer Form soll Ihr Kind nun lernen, seine Hirnwellen aktiv zu beeinflussen, was grafisch durch die Fortbewegung des Autos oder das Steigen des Flugzeugs umgesetzt wird. Das Erreichen bestimmter Ziele wird anschließend belohnt. Durch die aktive Veränderung der Hirnströme soll eine Verbesserung der AD(H)S-Symptomatik eintreten.

Ergotherapie

Hat Ihr Kind Probleme mit Geschicklichkeit, der Körperkoordination und -wahrnehmung, kann eine Ergotherapie unterstützen. Hierdurch können sich auch Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit verbessern.

Ernährung

Zu einem Einfluss der Ernährung liegen bislang noch keine einheitlichen Aussagen vor. Bei manchen betroffenen Kindern konnte jedoch beobachtet werden, dass eine Umstellung der Ernährung zu einer Verbesserung der AD(H)S-Symptome geführt hat.

ADHS ADS Ernährung

Beobachtet werden sollten insbesondere häufige Allergene. Eine bestehende Nahrungsmittelunverträglichkeit kann sich nachteilig auf die AD(H)S auswirken. Häufige Allergene sind z. B. Gluten, Milchprodukte, Soja, Nüsse, Schalentiere oder Ei.

Der Verzicht auf künstliche Farbstoffe und Nahrungszusätze hat in Einzelfällen ebenfalls zu einer Verminderung der Symptomatik geführt. Beispiel hierfür sind das Konservierungsmittel Benzoesäure, der Süßstoff Aspartam oder Azofarbstoffe. Ob ein Zusatzstoff in einem Lebensmittel enthalten ist, können Sie zumeist an den E-Nummern in der Angabe der Inhaltsstoffe erkennen, Benzoesäure hat z.B. die Nummer E210.

Darüber hinaus ist wie für jedes andere Kind auch eine ausgewogene und gesunde Ernährung empfohlen. Vermeiden Sie möglichst große Mengen an

>  raffiniertem Zucker, stark zuckerhaltigen Lebensmitteln,

>  stark verarbeiteten Lebensmitteln (Fast-Food),

>  ungesunden Fetten und Frittiertem,

>  tierischen Lebensmitteln.

Besprechen Sie den Verzicht auf bestimmte Lebensmittel oder eine generelle Ernährungsumstellung am besten immer vorher mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Sollten Sie das Gefühl haben, dass bestimmte Lebensmittel die Symptomatik bei Ihrem Kind verstärken, versuchen Sie, ob ihr Weglassen die Symptome verbessert. Hierfür empfiehlt sich das Führen eines Ernährungstagebuchs.

Neben den bereits genannten Hinweisen gibt es viele weitere allgemeine Tipps, die Ihrem Kind und Ihnen das Leben mit AD(H)S im Alltag erleichtern können.

Besser schlafen

Vielen Kindern mit AD(H)S fällt insbesondere das morgendliche Aufstehen und das abendliche Schlafengehen schwer. Die Etablierung einer Routine kann helfen diese Situationen zu entschärfen.

Schreiben Sie einen Ablaufplan für den Morgen und für den Abend, indem Sie festlegen, in welcher Reihenfolge welche Schritte in welcher Zeit durchgeführt werden sollen. Durch die vorgegebene Struktur kann sich eine Gewöhnung einstellen und es fällt Ihrem Kind einfacher, Dinge zu befolgen. Vereinbaren Sie mit Ihrem Kind gewisse Belohnungen bei Befolgung und Konsequenzen bei einer Nichtbeachtung. Gerade beim Einschlafen können auch Rituale helfen, wie z. B. das Vorlesen einer Geschichte.

Generell sind Ein- und Durchschlafprobleme bei Kindern mit AD(H)S ein häufiges Problem. Versuchen Sie eine angenehme Schlafumgebung zu schaffen. Gerade bei Kindern mit AD(H)S sollte darauf geachtet werden, dass es keine störende Reize von außen gibt. Versuchen Sie Lichtquellen, Geräuschquellen (auch das Ticken einer Uhr kann ablenkend sein) und Elektronikquellen zu vermeiden und schaffen Sie einen Schlafplatz, an welchen sich Ihr Kind gewöhnen kann und wo es sich wohlfühlt.

ADHS ADS Tipps Schlafen

Druck rausnehmen

Wenn die Diagnose AD(H)S gestellt wird, kann dies für Ihr Kind sehr belastend sein. In diesem Moment sind Sie vermutlich sein wichtigster Ansprechpartner. Nehmen Sie sich Zeit für solche Gespräche und lassen Sie sie an einem ungestörten Ort und ohne Zeitdruck stattfinden. Versuchen Sie außerdem, Vorwürfe gegenüber Ihrem Kind zu vermeiden.

In kritischen Situationen und Streitsituationen kann es hilfreich sein, etwas Abstand voneinander zu gewinnen, um die Situation später in Ruhe zu besprechen. Vereinbaren Sie vorher mit Ihrem Kind einen Ort, an den sich beide zurückziehen und gegebenenfalls auch die Dauer der „Auszeit“. Im Anschluss ist ein Gespräch meistens besser möglich.

Schule gemeinsam organisieren

Für den Schulalltag ist es hilfreich, alle Schulsachen am Tag vorher zu packen und gegebenenfalls farblich für einzelne Fächer voneinander zu trennen.

Hausaufgaben stellen einen besonders schwierigen Punkt dar. Nach Möglichkeit sollten Sie in der Nähe bleiben, während Ihr Kind Hausaufgaben macht. Achten Sie zudem darauf, dass keine Ablenkung durch Fernseher, Handy etc. besteht und dass es für die Hausaufgaben einen festgelegten Arbeitsplatz gibt. Klare Absprachen und Regeln bezüglich Pausen und etwaiger Belohnungen können ebenfalls hilfreich sein. Loben Sie Ihr Kind, wenn es die Hausaufgaben gemacht hat.

Falls möglich binden Sie die Lehrkräfte mit in die Situation ein und besprechen Sie mit diesen, wie Sie Ihr Kind unterstützen können. Das kann z. B. durch die Wahl des Sitzplatzes im Klassenraum, die stärkere Einbindung Ihres Kindes in den Klassenalltag oder häufigeres Lob geschehen.

Allgemein profitieren Kinder mit AD(H)S von strukturiertem Vorgehen. Dies sollten Sie bei Ihrer täglicher Tagesplanung berücksichtigen. Wichtig ist daher:

Besprechen Sie mit Ihrem Kind möglichst viele Abläufe und binden sie es nach Möglichkeit in die Planung mit ein.

Legen Sie klare Regeln fest und ebenso Konsequenzen bei Nichtbeachtung bzw. Belohnungen bei Einhaltung.

AD(H)S ist für alle Beteiligten oft eine echte Herausforderung, insbesondere bei schwerer Symptomatik. Umso wichtiger sind eine frühzeitige Diagnose und ein früher Beginn der Therapie, denn je länger ein Therapiebeginn aufgeschoben wird, desto größer sind in der Regel die aus der AD(H)S resultierenden Folgen. Es drohen schlechte Schulleistungen, soziale Probleme und die Entstehung von psychischen Störungen wie Depressionen.

Positiv festzuhalten bleibt: AD(H)S ist heutzutage gut erforscht und die Therapiepläne sind etabliert. Wird die Diagnose gestellt und die auf Ihr Kind abgestimmte Therapie begonnen, verringern sich die Symptome oftmals spürbar und das Wohlbefinden Ihres Kindes und Ihrer Familie wird sich verbessern. Tatsächlich haben Kinder mit AD(H)S zum Teil auch viele positive Eigenschaften und Fähigkeiten. Sicher sind Ihnen auch bei Ihrem Kind schon einige der folgenden Stärken aufgefallen:

> Kreativität und Phantasie

> eine hohe Begeisterungsfähigkeit und Faszination

>  ein starker Wille

>  eine besondere Offenheit für neue, ungewöhnliche Ideen

>  ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn und

>  viel Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft

Alle diese Stärken sind Eigenschaften, die es Ihrem Kind ermöglichen können, auch mit AD(H)S ein glückliches und erfolgreiches Leben zu führen und seine Ziele zu erreichen. Bei vielen Kindern verringert sich die Stärke der Symptome zudem mit zunehmendem Alter und verschwindet teilweise im Erwachsenenalter vollständig. Auch viele Erwachsene, bei denen noch Symptome bestehen, haben diese meistens gut im Griff und können ein geregeltes Leben führen. Und nicht nur das, es gibt viele Beispiele von AD(H)S-Betroffenen, die Großes erreicht haben.

Beim Schwimmstar Michael Phelps, mit 28 olympischen Medaillen der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten, wurde AD(H)S diagnostiziert und er begann mit 7 Jahren mit dem Schwimmen, um den Symptomen entgegenzuwirken.

Auch der Filmstar Will Smith hat seine „aufgedrehte“ Art genutzt und ist heute einer der bestbezahlten Schauspieler Hollywoods.

Neben diesen beiden Prominenten gibt es noch viele weitere Beispiele von bekannten Menschen mit diagnostizierter ADH(S).

ADHS ADS Chancen

Es ist daher wichtig für alle Beteiligten, AD(H)S nicht allein als Defizit, sondern vielmehr als besondere Eigenschaft zu betrachten, die auch eine ganze Menge positiver Dinge mit sich bringen kann. Ermutigen Sie Ihr Kind, seinen Stärken zu vertrauen, um sein Potenzial nutzen zu können. So kann es sich in der Gemeinschaft zu einer starken Persönlichkeit entwickeln

Weitere Informationen finden sie unter:

www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/kindergesundheit/aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.html

www.adhs-deutschland.de

www.tokol.de

www.juvemus.de

www.adhs.info

www.zentrales-adhs-netz.de

Leben mit ADHS ADS

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Broschüre hilfreiche Informationen rund um die Erkrankung AD(H)S geben konnten. Falls Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Arzt oder Apotheker.
 

P6502575-02-0723