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Harnwegsinfektionen bei Kindern

Die Symptome einer Harnwegsinfektion bei Erwachsenen, wie das Brennen beim Wasserlassen und der häufige und verstärkte Harndrang, sind allgemein bekannt. Bei Kindern, vor allem im Neugeborenen- und Säuglingsalter, sind die Symptome jedoch oft unspezifisch und daher nicht so einfach einzuordnen wie bei Erwachsenen.

Harnwegsinfektionen zählen bei Kindern mit zu den häufigsten bakteriellen Infektionen. Wir möchten Ihnen mit diesem Ratgeber wertvolle Hinweise geben, auf was sie bei Ihren Kindern achten können, um eine Harnwegsinfektion möglichst schnell zu erkennen, und ab wann Sie einen Arzt aufsuchen sollten. Auch Informationen zur Entstehung, zur Diagnose und zu den Therapieprinzipien von Harnwegsinfektionen fassen wir für Sie zusammen. Diese Informationen basieren auf der aktuellen Leitlinie zu Harnwegsinfektionen im Kindesalter, die federführend von der Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie (GPN) und dem Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie in der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) herausgegeben wurde. Außerdem erhalten Sie Tipps, welche Maßnahmen Sie ergreifen können, um wiederkehrende Harnwegsinfektionen zu vermeiden.

Liebe Leserinnen und Leser *,

die Symptome einer Harnwegsinfektion bei Erwachsenen, wie das Brennen beim Wasserlassen und der häufige und verstärkte Harndrang, sind allgemein bekannt. Bei Kindern, vor allem im Neugeborenen- und Säuglingsalter, sind die Symptome jedoch oft unspezifisch und daher nicht so einfach einzuordnen wie bei Erwachsenen.

Harnwegsinfektionen zählen bei Kindern mit zu den häufigsten bakteriellen Infektionen. Wir möchten Ihnen mit diesem Ratgeber wertvolle Hinweise geben, auf was sie bei Ihren Kindern achten können, um eine Harnwegsinfektion möglichst schnell zu erkennen, und ab wann Sie einen Arzt aufsuchen sollten. Auch Informationen zur Entstehung, zur Diagnose und zu den Therapieprinzipien von Harnwegsinfektionen fassen wir für Sie zusammen. Diese Informationen basieren auf der aktuellen Leitlinie zu Harnwegsinfektionen im Kindesalter, die federführend von der Gesellschaft für pädiatrische Nephrologie (GPN) und dem Arbeitskreis Kinder- und Jugendurologie in der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) herausgegeben wurde. Außerdem erhalten Sie Tipps, welche Maßnahmen Sie ergreifen können, um wiederkehrende Harnwegsinfektionen zu vermeiden.

*Alle Leser sind uns unabhängig von ihrem Geschlecht gleichermaßen wichtig und willkommen. Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Ratgeber überwiegend die männliche Form. Wir danken für Ihr Verständnis. 

Grundsätzlich werden die Harnwege in die oberen und die unteren Harnwege unterteilt. Sie dienen gemeinsam hauptsächlich der Ausscheidung von Flüssigkeit und Stoffwechselprodukten aus dem Körper. Dadurch spielen sie unter anderem eine sehr wichtige Rolle für die Flüssigkeits- und Blutdruckregulation, den Säure-Base-Haushalt und die Entgiftung des Körpers.

Die oberen Harnwege bestehen aus den beiden Nieren, die sich jeweils rechts und links neben der Wirbelsäule am unteren Ende des Brustkorbs befinden, sowie den Harnleitern, die die  Nieren mit der Harnblase verbinden. Die unteren Harnwegegliedern sich in Blase und Harnröhre.

Die Nieren sind hauptsächlich für die Reinigung des Blutes zuständig und produzieren dabei Harn. Durch die Nieren strömen hierzu bei einem Erwachsenen ca. 1.700 Liter Blut pro Tag. Daraus produzieren die Nieren jeden Tag ca. 180 Liter Primärharn.

Aus dem Primärharn werden während des weiteren Weges durch die Nierenkanälchen wichtige Substanzen wie Elektrolyte, Aminosäuren und Glucose sowie vor allem Wasser zurückgewonnen. Die 180 Liter Primärharn werden so zu ca. 1,5 Litern Urin konzentriert, der aus den Nieren über die Harnleiter in die Harnblase gelangt. Sie dient als Speicherort für den Urin und besitzt bei Erwachsenen ein Fassungsvermögen von 0,6 bis 1 Liter.

Aufbau der oberen und unteren Harnwege

Die Aufnahmekapazität der Blase für Urin ist bei Kindern altersabhängig und beträgt bei einem 2-jährigen Kind etwa 90ml und bei einem 6-jährigen Kind etwa 210ml. Ausgeschieden wird der Urin schlussendlich über die Harnröhre.

Über die Harnröhre können jedoch auch Erreger in die Blase oder unter bestimmten Umständen sogar in die Nieren aufsteigen und dort zu einer Infektion führen. Auslöser einer Harnwegsinfektion sind fast immer Bakterien. In 70 bis 90% der Fälle sind die natürlich im Darm vorkommenden sogenannten E. coliBakterien, welche auch mit dem Stuhl ausgeschieden werden, für eine Harnwegsinfektion verantwortlich.

Durch die Harnröhre können Bakterien in die Blase aufsteigen

Die Länge der Harnröhre ist ein wesentlicher Faktor dafür, dass Mädchen und Frauen mit Ausnahme des ersten Lebensjahres häufiger von Harnwegsinfektionen betroffen sind als Jungen und Männer. Die kürzere weibliche Harnröhre macht den Bakterien den Aufstieg in die Blase leichter. Im Säuglings- und Kleinkindalter sind besonders diefieberhaften Harnwegsinfektionen relevant, bei denen man annimmt, dass sie die oberen Harnwege (Nierenbeckenentzündung) betreffen. Mit zunehmendem Alter treten, insbesondere bei Mädchen, häufiger Harnwegsinfektionen auf, die nicht von Fieber begleitet werden. Bei diesen Infektionen geht man davon aus, dass sie die unteren Harnwege betreffen („Blasenentzündung“).

Der vesikoureterale Reflux
Bei etwa 30% aller Säuglinge und Kleinkinder mit einer fieberhaften Harnwegsinfektion findet sich ein vesikoureteraler Reflux (VUR), also ein Zurückfließen des Urins in den Harnleiter bzw. das Nierenbecken, meist ausgelöst durch einen angeborenen veränderten Aufbau der Harnwege. Ein großer Teil dieser Refluxe bildet sich in den ersten Lebensjahren von selbst zurück. Wie ein vesikoureteraler Reflux durch Ihren Arzt erkannt und wann und wie er behandelt werden kann, wird in einem der folgenden Kapitel dieses Ratgebers näher behandelt.

Sonstige Risikofaktoren

Frühgeburtlichkeit, Diabetes-Erkrankungen, das Auftreten einer starken Verstopfung oder die Notwendigkeit eines dauerhaften Blasenkatheters bei Ihrem Kind sind weitere Faktoren, die das Risiko für eine Harnwegsinfektion erhöhen können.

Generell, aber vor allem auch in diesen Fällen, ist es für Sie als Eltern wichtig, die auf eine Harnwegsinfektion hinweisenden Symptome möglichst schnell zu erkennen und mit dem Arzt gemeinsam auf sie reagieren zu können, um eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern.

Je jünger Ihr Kind ist, desto schwieriger ist es, eine Harnwegsinfektion an den Symptomen zu erkennen. Im Folgenden erläutern wir die verschiedenen Beschwerdebilder in den unterschiedlichen Altersklassen:

Bei Neugeborenen können unspezifische Symptome wie Trinkschwäche, Teilnahmslosigkeit, Gewichtsverlust, Durchfall, Erbrechen, eine leichte Gelbfärbung oder auch Blässe der Haut auf eine Nierenbeckenentzündung oder sogar einen Übertritt der Bakterien in den Blutkreislauf hindeuten (sogenannte Urosepsis). Fieber als entscheidendes Symptom für eine mögliche Infektion auch der Nieren und damit einer schweren Infektion kann bei Neugeborenen fehlen.

Säuglinge und Kinder unter 2 Jahren können ebenfalls recht unklare Symptome wie hohes Fieber, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen aufweisen, bei denen man nicht sofort auf eine Harnwegsinfektion schließen würde. Auch ein verändertes Trinkverhalten, eine verminderte Aktivität oder übelriechender Urin können auf eine Harnwegsinfektion hindeuten. Es können auch nur wenige dieser Symptome auftreten, sodass bei einem veränderten Verhalten Ihres Kindes und vor allem bei Auftreten von Fieber ohne eine klare Ursache unbedingt der Kinderarzt aufgesucht werden sollte, der unter anderem eine Urinuntersuchung durchführen wird. Vor allem in den ersten Lebensmonaten ist das Risiko für den Übertritt der Bakterien in den Blutkreislauf erhöht und macht ein schnelles Eingreifen durch Ihren Arzt sehr wichtig.

Wenn Sie folgende Zeichen einer Harnwegsinfektion bei Ihrem Kleinkind feststellen,
sollten Sie zeitnah Ihren Kinderarzt aufsuchen:
Säuglinge < 3 Monate:
> Jede ungeklärte Erhöhung der Körpertemperatur über 38°C


Kinder < 2 Jahre:
> Allgemeines Unwohlsein mit z.B. Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen in Kombination mit
> hohem Fieber >38,5 °C
> Fieber, das länger als 2 Tage anhält
> einer vorangegangenen Harnwegsinfektion in der Krankheitsgeschichte Ihres Kindes
> Druckempfindlichkeit im Bereich des Schambeins

Kinder > 2 Jahre
> Typische Symptome für eine Harnwegsinfektion, wie man sie auch von Erwachsenen kennt
(s. nächster Abschnitt)

Ab einem Alter von 2 Jahren können Kinder vergleichbare Symptome einer Harnwegsinfektion wie Erwachsene zeigen. Eine Blasenentzündung erkennt man an einem häufigen Harndrang, der mit Unterleibsschmerzen und einem unangenehmen Brennen beim Wasserlassen einhergehen kann. Eventuell kann es zu einem vorübergehenden erneuten Einnässen kommen.

Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen im Bereich des seitlichen Rückens können hingegen darauf hindeuten, dass die Infektion bereits in die oberen Harnwege aufgestiegen ist und es sich um eine Nierenbeckenentzündung handelt.

Seien Sie bei Säuglingen und Kleinkindern
besonders wachsam!
Während sich die Infektion bei älteren Kindern nicht selten auf die unteren Harnwege beschränkt, besteht bei Säuglingen und Kleinkindern die Gefahr, dass sich die Infektion schnell auf die Nieren ausdehnt. Deshalb sollten Sie bei unspezifischem Fieber oder Verdacht auf eine Harnwegsinfektion möglichst schnell Ihren Kinderarzt zu Rate ziehen. Denn: Ein rascher Therapiebeginn kann verhindern, dass die Infektion das Nierengewebe dauerhaft schädigt.

Ihr Kinderarzt wird zunächst das allgemeine Befinden Ihres Kindes bewerten und bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion den Urin Ihres Kindes untersuchen. Hierbei kommen in der Regel spezielle Urinteststreifen zur Anwendung. Der Urin kann jedoch auch mikroskopisch auf Bakterien und auf eine erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen, als Entzündungsmarker, untersucht werden.

Je nach Alter Ihres Kindes und nach Einschätzung des Arztes kann auch eine mikrobiologische Laboruntersuchung des Urins angeordnet werden, um die genauen Erreger, die den Körper Ihres Kindes belasten, zu bestimmen und gezielt ein wirksames Antibiotikum auszuwählen.

Grundsätzlich sollte die mikrobiologische Laboruntersuchung des Urins bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion angestrebt werden.


Ein einfacher Urinteststreifen liefert erste Ergebnisse

So wird der Urin gewonnen

Bei der Uringewinnung ist es besonders wichtig, eine Verunreinigung der Urinprobe mit Bakterien zu vermeiden, um aussagekräftige und keine falsch positiven Ergebnisse bei der Untersuchung zu erhalten.

Ist Ihr Kind bereits an die Toilette gewöhnt, kann der Urin mithilfe der Mittelstrahlurin-Methode gewonnen werden. Hierbei sollten Sie zunächst den Intimbereich Ihres Kindes gründlich mit Leitungswasser reinigen und abtrocknen. Danach werden die ersten Urintropfen in die Toilette laufen gelassen, um die Harnröhre durchzuspülen. Erst anschließend wird der Urin in einem Becher aufgefangen. Mit einem Urinstreifentest wird unter anderem Nitrit – als ein Stoffwechselprodukt von Bakterien – nachgewiesen.


Erklären Sie Ihrem Kind, warum es ein wenig Urin abgeben soll

Die Bildung von Nitrit erfordert eine gewisse Zeit. Daher ist es wichtig, dass der letzte Toilettengang Ihres Kindes möglichst lange her ist.

Ist Ihr Kind für die kontrollierte Abgabe von Urin noch zu jung, kann die „Clean-Catch-Methode“ angewandt werden. Bei dieser Methode wird einfach die Zeit abgewartet, bis Ihr Kind nach Erhalt einer größeren Trinkmenge spontan Urin abgibt. Auch hier sollte der Intimbereich zuvor mit Leitungswasser gereinigt werden. Außerdem ist es wichtig, dass Sie Ihre Hände gründlich waschen und beim Auffangen des Urins darauf achten, dass es zu keinem Kontakt der Becheröffnung mit Ihrer oder der Haut Ihres Kindes kommt. So kann eine Verunreinigung der Urinprobe verhindert werden.

Eine weitere Methode, Urin bei Kindern ohne Blasenkontrolle zu gewinnen, ist die Urinbeutelmethode. Dabei wird ein Urinentnahmebeutel zwischen Genitalien und After geklebt und somit der Urin aufgefangen. Diese Methode eignet sich jedoch nicht, um Urin für eine mikrobiologische Untersuchung  auf Bakterien zu gewinnen, da das Verunreinigungsrisiko dabeisehr hoch ist. Finden sich im Beutelurin jedoch keine Hinweise auf eine Harnwegsinfektion (z.B. keine weißen Blutkörperchen, kein Nitrit), so ist diese unwahrscheinlich.

Der Beutelurin ist somit als Screeningmethode zum Ausschluss einer Harnwegsinfektion geeignet, jedoch nicht zu deren Diagnose. Im Falle eines auffälligen, auf das Vorliegen einer Harnwegsinfektion verdächtigen Beutelurins ist eine Bestätigungsdiagnostik notwendig (s.u.).

Wenn Sie den Urin Ihres Kindes bereits zu Hause aufgefangen haben, bewahren Sie ihn im Kühlschrank auf und bringen Sie ihn so schnell wie möglich in die Arztpraxis, da die Untersuchung spätestens 2–4 Stunden nach der Uringewinnung erfolgen sollte.

Zur Bestätigung der Diagnose einer Harnwegsinfektion und zur Ermittlung der verantwortlichen Erreger kann nach einem positiven Urinstreifentest oder einer auffälligen mikroskopischen Untersuchung im Labor eine Urinkultur angelegt werden. Hierzu wird Ihnen der Kinderarzt für die Uringewinnung bei Neugeborenen und Säuglingen wahrscheinlich eine Entnahme von Urin mittels Katheter oder direkter Blasenpunktion vorschlagen. Eine Blasenpunktion hört sich für Sie als Eltern sicherlich zunächst erschreckend an, ist jedoch eine sehr zuverlässige Methode, um sichere Ergebnisse zu erhalten. Im Vergleich zur Entnahme von Urin mithilfe eines Blasenkatheters ist sie weniger traumatisch für Ihr Kind und hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Harnröhre nicht, wie beim Einführen eines Katheters, zusätzlich gereizt oder eventuell auch verletzt wird.

Bei erfahrenen Ärzten treten bei dieser Methode Komplikationen äußerst selten auf. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass Verunreinigungen der Urinprobe durch Bakterien aus der Harnröhre und dem äußeren Genital zuverlässig vermieden werden können und somit eine falsch positive Diagnose und eine daraus resultierende unnötige Antibiotikatherapie ausgeschlossen werden können. 

So läuft eine Blasenpunktion ab

Vor einer Blasenpunktion erfolgt meist eine Überprüfung der Blasenfüllung durch eine Ultraschalluntersuchung, da eine gut gefüllte Blase Voraussetzung für eine erfolgreiche Uringewinnung ist. Anschließend wird nach sorgfältiger Hautdesinfektion in Rückenlage Urin direkt aus der Blase entnommen. Für die zielgenaue Punktion der Blase wird 1– 2 cm oberhalb der Schambeinfuge senkrecht zur Haut durch die Bauchdecke hindurch eine Kanüle in die Blase eingeführt und mithilfe einer aufgesetzten Spritze Urin entnommen. Wenn Sie sich Sorgen wegen der Schmerzen beim Einstich machen, ist beispielsweise ein oberflächlich betäubendes Pflaster, welches ein Lokalanästhetikum enthält, eine optimale Lösung, um Ihrem Kind die Untersuchung möglichst stressfrei zu gestalten.


Diagnostisches Vorgehen bei Verdacht auf eine Harnwegsinfektion

 

In der Regel werden ausgeprägte Fehlbildungen der Harnwege bereits vor der Geburt bei den routinemäßig durchgeführten Ultraschalluntersuchungen entdeckt.

Besteht bei Ihrem Säugling oder Kleinkind der Verdacht auf eine Harnwegsinfektion und leidet Ihr Kind zusätzlich an Fieber, wird der Arzt in der Regel eine Ultraschalluntersuchung der Blase und Nieren anordnen. Sollten sich bei dieser Untersuchung Hinweise auf das Vorliegen eines Refluxes von Urin aus der Blase in die Nieren zeigen, wird der Arzt, nachdem die Harnwegsinfektion Ihres Kindes überstanden und Ihr Kind wieder fit und munter ist, mit Ihnen gemeinsam das weitere Vorgehen besprechen. Dann werden gegebenenfalls weitere Untersuchungen durchgeführt, die das Vorliegen eines Refluxes bestätigen. Die sogenannte „Refluxprüfung“ kann in Abhängigkeit von der individuellen Situation mittels Röntgen oder Ultraschall durchgeführt werden.

Wann wird ein Bluttest durchgeführt?
Eine Blutuntersuchung ist zur Diagnose einer Harnwegsinfektion nicht immer notwendig. Ist Ihr Kind jedoch jünger als 12 Monate, ist das Risiko, dass die Infektion aus den oberen Harnwegen in die Blutbahn übertritt, höher als bei älteren Kindern und Erwachsenen. Bei schweren Symptomen, die auf eine sogenannte Urosepsis hindeuten, wird Ihr Arzt eine Blutuntersuchung anordnen.

Die Therapie einer Harnwegsinfektion ist vom Einzelfall abhängig. Sie wird in den meisten Fällen mit Antibiotika behandelt. Ihr Kinderarzt wird auf Grundlage verschiedener Kriterien eine geeignete Therapie für Ihr Kind auswählen. Eine wichtige Rolle spielen bei der Entscheidung das Alter Ihres Kindes, die Schwere der Infektion und das eventuelle Vorliegen weiterer Risikofaktoren.

In den ersten drei Lebensmonaten wird bei einer Infektion der oberen Harnwege in Kombination mit Fieber normalerweise eine stationäre Aufnahme Ihres Kindes angeordnet. Dadurch kann Ihr Kind bestmöglich versorgt und überwacht und durch eine intravenöse Antibiotikatherapie eine schnelle Besserung erzielt werden.

Auch bei älteren Kindern wird Ihr Arzt unter Berücksichtigung des Zustands Ihres Kindes immer abwägen, ob nicht eine stationäre Behandlung besser sein kann.


Sind Antibiotika unbedingt notwendig?
Gerade im Säuglings- und Kindesalter ist es wichtig, die Infektion möglichst schnell einzudämmen und damit eine Schädigung des Nierengewebes zu verhindern. Antibiotika sind ein wertvolles Mittel, Ihr Kind genau davor zu schützen, und sollten unbedingt nach Empfehlung des Arztes eingenommen werden. Durch eine rechtzeitige Antibiotikatherapie wird es Ihrem Kind schnell wieder besser gehen und das Risiko bleibender Schäden wird stark reduziert.

Aus diesem Grund beginnt der Arzt möglichst schnell eine Therapie mit einem geeigneten Antibiotikum, das in der Lage ist, viele verschiedene Bakterienstämme zu bekämpfen. Nach Erhalt der Ergebnisse der Urinkultur kann die Therapie, falls nötig, gezielt auf den für die Infektion verantwortlichen Bakterienstamm angepasst werden.

Lediglich bei älteren Mädchen, die eine unkomplizierte nicht fieberhafte Infektion der Blase haben, kann der behandelnde Arzt ggf. auf eine primäre antibiotische Therapie verzichten und eine symptomatische Therapie in Kombination mit einer hohen Trinkmenge beginnen.

Der Arzt hat uns aufgrund eines Refluxes zu einer längeren Antibiotikatherapie geraten – muss das wirklich sein?
Bei Kindern mit einem hohen Risiko, wiederholt an Harnwegsinfektionen zu erkranken, beispielsweise in Zusammenhang mit einem vesikoureteralen Reflux, ist auch die Gefahr daraus resultierender Nierenschädigungen erhöht. Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, durch eine vorsorgliche tägliche Antibiotikatherapie über eine längere Zeit, die Entstehung von Harnwegsinfektionen zu vermeiden. Die Notwendigkeit dieser Prophylaxe wird vom Arzt nicht leichtfertig und nur nach eingehender Untersuchung Ihres Kindes getroffen. Rät der Arzt Ihnen zu diesem Schritt, wird er die Risiken einer Resistenzbildung und den Einfluss auf die Darmbakterien Ihres Kindes sorgfältig den Vorteilen der Therapie gegenübergestellt haben. Der Nutzen wird in diesem Fall also das Risiko überwiegen und der Bedarf der Therapie wird von Ihrem Arzt in regelmäßigen Abständen immer wieder überprüft werden.

Die wichtigste Maßnahme während einer Harnwegsinfektion und auch zur Vorbeugung ist eine ausreichend hohe regelmäßige Trinkmenge, die gleichmäßig über den Tag verteilt werden sollte. Gerade Kinder vergessen gerne das Trinken. Eine Erinnerung ab und an kann also nicht schaden. Richtwerte, für die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Trinkmenge in Abhängigkeit vom Alter Ihres Kindes können Sie der Tabelle 1 entnehmen.

Diese sollte generell nicht unterschritten werden. Im akuten Fall einer Harnwegsinfektion sollte Ihr Kind eher mehr trinken, um die Harnwege möglichst gut durchzuspülen. Dabei ist auch der erhöhte Flüssigkeitsbedarf durch Fieber zu berücksichtigen. Ihr Arzt wird Sie hierzu beraten.

Tabelle 1: Richtwerte für die Wasserzufuhr durch Getränke für gesunde Kinder und Jugendliche laut DGE

Alter (Jahre) 1– 4 4 – 7 7 –10 10–13 13 –15 15–19
Tägliche Trinkmenge (ml) 820 940 970 1170 1330 1530

Im Übrigen sollte Mädchen möglichst früh die richtige Wischtechnik nach dem Toilettengang beigebracht werden. Es sollte immer von vorne nach hinten – also von der Harnröhrenöffnung nach hinten Richtung After – gewischt werden, um zu verhindern, dass Bakterien vom After in den Bereich der Harnröhre gelangen.

Kindergarten- und junge Schulkinder tendieren dazu, den Stuhloder Harndrang zu ignorieren. Man sollte ihnen erklären, dass auch eine regelmäßige Blasenentleerung und ein regelmäßiger Stuhlgang dazu beitragen, das Risiko einer Harnwegsinfektion zu senken. Eltern sollten auch daran denken, dass eine chronische Verstopfung sowie ein nicht aufrechtes und nicht entspanntes Sitzen auf der Toilette die vollständige Blasenentleerung beein- trächtigen können, was die Ansiedlung von Bakterien erleichtert. Gerade junge Mädchen sollten sich daher angewöhnen, beim Wasserlassen möglichst aufrecht und entspannt zu sitzen.

Eine Beschneidung wird bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen bei Jungen nicht explizit als Prophylaxe empfohlen, sie kann allerdings unter bestimmten Umständen in Erwägung gezogen werden, um das Risiko einer Harnwegsinfektion während der Kindheit zu verringern.

Welche weiteren Möglichkeiten zur Prophylaxe gibt es?
Bei Erwachsenen gibt es eine ganze Reihe von Optionen, die vorbeugend gegen Harnwegsinfektionen wirken sollen – auf Kinder lassen sich die Erkenntnisse jedoch nur bedingt übertragen undauch nicht alle Medikamente sind für Kinder zugelassen.

Probiotika
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die die bakterielle Besiedlung regulieren und krankmachende Bakterien daran hindern sollen, in die Harnwege aufzusteigen. Ob Sie bei Kindern tatsächlich eine vorbeugende Wirkung zeigen, hängt stark von den eingesetzten Bakterienstämmen ab und ist in Studien bisher nicht klar nachgewiesen.


D-Mannose
Für Erwachsene ist eine Wirksamkeit des Zuckers D-Mannose nachgewiesen. Die Datenlage für die Wirksamkeit bei Kindern ist jedoch schlecht, sodass hier keine eindeutige Aussage getroffen

werden kann. Bei D-Mannose handelt es sich um einen Zucker,
der vom menschlichen Körper nicht verstoffwechselt werden kann und unverändert mit dem Urin ausgeschieden wird. In der Blase soll er das Anheften von E. coli-Bakterien an die Blasenschleimhaut verhindern und damit einer Harnwegsinfektion vorbeugen.

Cranberry
Für Cranberrysaft oder auch -kapseln gibt es Studien, die einen gewissen schützenden Effekt bei Erwachsenen belegen. Aufgrund der Fülle an unterschiedlichen Cranberry-Präparaten kann jedoch keine allgemeine Empfehlung ausgesprochen werden. Cranberry-Präparate können jedoch einen Versuch wert sein, wenn Ihr Kind häufiger unter Harnwegsinfektionen leidet.

Andere Phytotherapeutika
Eine weitere Möglichkeit zur Prävention oder auch zur Behandlung von Harnwegsinfektionen bieten pflanzliche Arzneimittel. Sie sind jedoch erst im späten Kindes- und Jugendalter eine Option zur unterstützenden Behandlung leichter Blasenentzündungen.

Sollten Sie einen alternativen Ansatz zur Vorbeugung einer Harnwegsinfektion bei Ihrem Kind ausprobieren wollen, achten Sie unbedingt auf die Altersempfehlung der auf dem Markt befindlichen Präparate und sprechen Sie die Anwendung mit Ihrem Kinderarzt ab.

> Harnwegsinfektionen werden durch Bakterien ausgelöst, eine gute Hygiene verringert daher das Risiko einer Erkrankung.
> Die Symptome einer Harnwegsinfektion können sich bei Säuglingen und Kindern unter 2 Jahren stark von den Symptomen bei Erwachsenen unterscheiden.
> Säuglinge und Kleinkinder sind bei fieberhaften Infektionen der oberen Harnwege besonders gefährdet, langfristige Schäden am Nierengewebe davonzutragen.
> Klären Sie ein bei Ihrem Säugling auftretendes Fieber immer mit dem Arzt ab.
> Eine Harnwegsinfektion bei Kindern gehört immer in ärztliche Hände und sollte möglichst schnell therapiert werden, um das Auftreten von Nierenschäden zu verhindern.
> Die Therapie von Harnwegsinfektionen erfolgt in der Regel durch eine Antibiotikagabe, die von weiteren Maßnahmen gegen die Symptome flankiert wird (u. a. Flüssigkeitsgabe, Fiebersenkung).
> Ihr Arzt wird mit Ihnen das weitere Vorgehen nach einer überstandenen Harnwegsinfektion besprechen (z.B. weitere Kontrollen, weitere Diagnostik).

Wir danken Prof. Dr. Lutz T. Weber, Leiter der kindernephrologischen Abteilung der Klinik und Poliklinik für Kinder und Jugendmedizin der Uniklinik Köln, für die fachredaktionelle Unterstützung bei der Erstellung dieses Ratgebers.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Broschüre einen Überblick und viele hilfreiche Tipps für den Umgang mit Allergien geben konnten.

Falls Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Arzt oder Apotheker.

P6502681-01-0123