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Refluxkrankheit bei Babys und Kindern

Bei einer regulären Nahrungsaufnahme verhindern verschiedene Mechanismen normalerweise das Zurückfließen von Nahrung in die Speiseröhre, das gilt für Babys und Kleinkinder ebenso wie für Erwachsene. Funktionieren diese Mechanismen nicht, fließt also Mageninhalt (gastro = griechisch für Magen) zurück in die Speiseröhre (Oesophagus = griechisch für Speiseröhre), spricht man von einem gastroösophagealen Reflux (GÖR).

Liebe Eltern,

Aufstoßen, spucken, erbrechen – im ersten Lebensjahr gehört das für viele Säuglinge und ihre Eltern zur täglichen Routine. Die Abgrenzung zwischen einem normalen Maß an Reflux im Säuglingsalter und der sehr viel selteneren tatsächlichen Refluxerkrankung, der gastro-ösophagealen Refluxkrankheit (GÖRK), ist nicht so einfach.

In dieser Broschüre erfahren Sie, welche Anzeichen Sie beachten sollten, wie Sie Reflux bei Babys und Kindern vorbeugen und behandeln können und wann Sie einen Arzt zur weiteren Diagnose aufsuchen sollten.

Mit fachlicher Beratung durch Prof. R. Ganschow, Bonn

Bei einer regulären Nahrungsaufnahme verhindern verschiedene Mechanismen normalerweise das Zurückfließen von Nahrung in die Speiseröhre, das gilt für Babys und Kleinkinder ebenso wie für Erwachsene. Funktionieren diese Mechanismen nicht, fließt also Mageninhalt (gastro = griechisch für Magen) zurück in die Speiseröhre (Oesophagus = griechisch für Speiseröhre), spricht man von einem gastroösophagealen Reflux (GÖR).

Da der Verdauungstrakt bei Säuglingen noch nichtvollständig ausgereift ist, kommt es in der Folge nicht selten zum Spucken. Manchmal läuft die Milch einfach seitlich aus dem Mundwinkel, ein anderes Mal schwappt sie zusammen mit einem Bäuerchen heraus oder sie wird – für Eltern oftmals besonders besorgniserregend – im hohen Bogen ausgespuckt. Bis zu 70 Prozent aller gesunden Neugeborenen und Säuglinge spucken, besonders häufig in den ersten vier Lebensmonaten, der Volksmund spricht auch von „Speikindern“. Doch was passiert da eigentlich?

Tatsächlich ist der Verschluss des Mageneingangs bei Säuglingen noch nicht vollständig entwickelt. So öffnet sich der Mageneingangsmuskel spontan und Nahrung kann in die Speiseröhre und bis in den Mund oder darüber hinaus zurückfließen (Reflux). Wenn gleichzeitig Luft mit aufgestoßen wird, kann das wie schwallartiges Erbrechen aussehen.

Ein gastroösophagealer Reflux (GÖR) ist ein reguläres Ereignis, das bei Säuglingen mehrmals täglich besonders nach den Mahlzeiten auftreten kann. Ein gastroösophagealer Reflux kann aber auch krankhafte Veränderungen der Speiseröhre oder andere Beschwerden wie Schleimhautreizungen, Entwicklungs-/Wachstumsstörungen bzw. in späteren Stadien auch Gewebeschäden oder Beschwerden bei der Atmung verursachen – dann spricht man von einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GÖRK oder auch GERD genannt).

Auch Schreien ist bei Säuglingen normal. Im Schnitt schreit ein 2 Monate altes Baby bis zu 2 1⁄2 Stunden pro Tag. Schreit ein Baby allerdings besonders häufig nach der Nahrungsaufnahme und spuckt es dabei mehrfach am Tag, kann das ein Hinweis auf eine gastroösophageale Refluxkrankheit sein. Dann verursacht der Reflux von saurem Mageninhalt Beschwerden und Komplikationen. Die Symptome sind für die kleinen Patienten belastend: Es kann zu chronischem Husten, Schmerzen, Fütter-, Gedeih- und Schlafstörungen kommen.

 

Je nach Alter des Kindes unterscheiden sich die Symptome. Folgende Symptome kommen recht häufig vor:

Säugling

Kinder Jugendliche
Rückfluss von Speisebrei Rückfluss von Speisebrei Rückfluss von Speisebrei
Häufiges Erbrechen Bauchschmerzen Sodbrennen
Speien nach dem Trinken Schmerzen im Brustbereich Saures Aufstoßen
Schreien, Unruhe Seltener Sodbrennen Schmerzen bei der Nahrungsaufname
Schlafstörungen Trockener Husten Chronischer Husten
Unruhe beim Trinken Schweißausbrüche  
Appetitlosigkeit; Nahrungsverweigerung Appetitlosigkeit

 

Bei ständigem Erbrechen, Unruhe oder einer Verweigerung der Nahrungsaufnahme sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Dies gilt in besonderem Maße bei Blut im Erbrochenem.

Besonders häufig betroffen sind ehemalige Frühgeborene und Kinder mit neurologischen Erkrankungen. Hierzu zählen Kinder mit zentralnervösen Erkrankungen (Zerebralparese), also spastischen Störungen des Nerven- und Muskelsystems, Kinder mit zystischer Fibrose und anderen chronischen Lungenerkrankungen wie Asthma bronchiale.

Auch bei einer allgemeinen Muskelerschlaffung (Hypotonie), die bei vielen neurologischen Störungen oder infolge eines Sauerstoffmangels bei der Geburt oder anderen Entwicklungsverzögerungen auftritt, ist die Abdichtung zwischen Speiseröhre und Magen oft gestört.

Refluxkrankheit Wer ist betroffen

Auch ältere Kinder und Jugendliche leiden an Reflux.

Symptome GÖRK Kuhmilchproteinallergie

Die Symptome bei einer GÖRK (blauer Kreis) und einer Kuhmilchproteinallergie (grüner Kreis) im Säuglingsalter überschneiden sich.

Gerade bei Säuglingen können Symptome wie chronischer Husten, Spucken, Schreien und auch Gedeih- und Fütterstörungen Hinweis auf zahlreiche Erkrankungen sein.

Ein Beispiel ist die Kuhmilchproteinallergie (KMPA), die sich klinisch häufig nicht von einer GÖRK unterscheiden lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass beide Erkrankungen sehr häufig gemeinsam auftreten. Etwa 40 Prozent der betroffenen Kinder, die wegen GÖRK einer Spezialambulanz zugewiesen werden, haben auch eine KMPA.

Reflux bei Kindern und Babys kann man behandeln und vorbeugen durch

>  kleinere Mahlzeiten, dafür häufiger füttern

>  das Halten in aufrechter Position bei und nach dem Füttern (für zwanzig Minuten)

>  Lagerung in Rückenlage mit erhöhtem Oberkörper (vor allem nach dem Essen wie z. B. auf dem folgenden Foto)

>  Vermeidung von zu strammem Windeln

Ab dem 4. Lebensmonat nimmt das Spucken in der Regel allmählich ab. Durch zunehmend aufrechtes Sitzen und eine insgesamt stärkere Muskulatur des Babys geht das Spucken immer mehr zurück. Viele Kinder hören auch mit Einführung der Beikost auf zu spucken.

Wichtig ist auf die Gewichtszunahme des Kindes zu achten. Wenn es gut zunimmt und gut trinkt, ist das Spucken meist nicht dramatisch oder gesundheitsgefährdend.

Refluxkrankheit was tun

Bei starkem Kalorienverlust durch vermehrtes Spucken kann die Nahrung angedickt werden (z. B. mit Johannisbrotkernmehl, 0,25–0,5 %) oder eine bereits angedickte Formelnahrung (sog. AR-Nahrung) verwendet werden. Stärke (z. B. Reis- oder Haferflocken) ist zum Andicken bei Kindern unter 6 Monaten nicht geeignet.

Falls ein Baby trotz des häufigen Spuckens gedeiht, also regelmäßig Gewicht zulegt und keine sonstigen Krankheitszeichen zeigt, sind weder medizinische Untersuchungen noch eine spezielle Behandlung erforderlich, denn häufiges Spucken ist im 1. Lebensjahr verbreitet. Bei stärkeren Beschwerden sind jedoch eine genaue Diagnose und eine Therapie notwendig.

Ersten Rat sollten sich besorgte Eltern immer in der vertrauten Kinderarztpraxis einholen. Bei Bedarf wird man sie dort an pädiatrische Gastroenterologen überweisen, die sich am besten mit den kindlichen Verdauungsorganen und den Gefahren eines Refluxes auskennen. Sie greifen in der Diagnostik in der Regel auf folgende Methoden zurück:

24-Stunden-pH-Metrie: Bei dieser Untersuchung wird ein sehr dünnes Kabel mit 2 Messsensoren durch die Nase in die Speiseröhre des Kindes gelegt. Ein Gerät zeichnet den pH-Wert, also den Säuregehalt, an den Messpunkten auf. Fließt nun saurer Magensaft in die Speiseröhre, verändert sich der pH-Wert und man kann sehen wann, wie lange, wie häufig und auch wie hoch der Magensaft aufgestiegen ist.

Röntgen-Brei-Schluck-Untersuchung: Mit dieser Untersuchung kann man Fehlbildungen oder Erkrankungen, die einen Reflux verursachen, darstellen. Hierzu muss das Kind einen Brei schlucken, der nicht für Röntgenstrahlen durchlässig ist. Die anschließend angefertigten Röntgenbilder zeigen, wohin und wie schnell der Röntgenbrei fließt. Dadurch werden z. B. ein im Brustkorb liegender Magen oder eine Entleerungsstörung sichtbar.

Magenspiegelung: Bei Verdacht auf eine ausgedehntere Speiseröhrenentzündung (Refluxösophagitis) ist eine Spiegelung der Speiseröhre und des Magens mit einem Endoskop erforderlich, die bei Kindern grundsätzlich in Narkose durchgeführt wird. Dabei wird ein flexibler Schlauch, an dem eine Kamera angeschlossen ist, in die Speiseröhre und in den Magen eingeführt. So kann man z. B. sehen, ob bereits Schäden an der Schleimhaut der Speiseröhre aufgetreten sind. Ergänzend werden kleine Schleimhautproben mit einer Biopsiezange entnommen und mikroskopisch untersucht.

Refluxkrankheit Behandlung

Ernährungsumstellung

Säuglinge und Kleinkinder mit einem unkomplizierten gastro-ösophagealen Reflux brauchen eigentlich keine Therapie. Wenn das mit der Erkrankung häufig einhergehende Erbrechen aber zu einer erheblichen Belastung für das Kind wird, sind konservative Maßnahmen empfohlen, wie das „Eindicken“ der Nahrung, ggf. ein Wechsel auf hypoallergene Nahrung sowie die Umstellung auf viele kleinere Mahlzeiten.

Medikamentöse Therapie

Etwa bei 2/3 aller Kinder heilt der Reflux komplikationslos und ohne Eingriff ab. Bei diesen Kindern werden ausschließlich Medikamente verabreicht, mit denen die Säureproduktion im Magen reduziert wird. Hierdurch können durch die Säure verursachte Entzündungen der Speiseröhre abheilen und es kommt zu keiner weiteren Zerstörung der Schleimhaut. Verwendet werden insbesondere sogenannte Protonen-Pumpen-Hemmer, die auf die Neutralisierung der Sekrete aus Magen bzw. Zwölffingerdarm abzielen.

Operation

Besteht die Refluxkrankheit weiterhin, haben sich bereits anatomische Veränderungen (z. B. Zwerchfellbruch oder Fehllagerung des Darmes) ergeben oder ist die Speiseröhre durch eine länger andauernde Refluxerkrankung vernarbt, muss die Abdichtung zwischen Magen und Speiseröhre operativ hergestellt werden. Ziel einer solchen Operation ist es, die natürlichen Mechanismen, die einen Reflux verhindern, wiederherzustellen. Dieser Eingriff muss nur sehr selten erfolgen.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Broschüre hilfreiche Tipps geben konnten, wie Sie mit Ausstoßen, Spucken und Speien bei Babys und Kleinkindern umgehen.

Falls Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Arzt oder Apotheker.

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