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RSV Respiratorisches Synzytial-Virus

Liebe Leserinnen und Leser*,

Vermutlich haben Sie diesen Patienten-Ratgeber in Ihrer Arztpraxis oder Apotheke bekommen, weil Ihr Kind an einer RSV Infektion leidet. Meist geht diese Erkrankung mit typischen Erkältungsbeschwerden wie Schnupfen, Halsentzündung, Fieber oder Husten einher und klingt von selbst wieder ab. Wenige Kinder mit Risikofaktoren bekommen allerdings schwere Atemwegserkrankungen, wie z.B. Lungenentzündungen.

Wer ist besonders gefährdet? Wann sollte man einen Arzt aufsuchen? Kann man seine Kinder vor einer Ansteckung schützen?

Dieser Patienten-Ratgeber soll Ihnen helfen, die Hintergründe zu verstehen, einen Überblick über die Infektion zu bekommen, und Ihre wichtigsten Fragen beantworten.

*Alle Personen, unabhängig von ihrem Geschlecht, sind gleichermaßen wichtig und willkommen. Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Ratgeber jedoch überwiegend die männliche Form. Wir danken für Ihr Verständnis.

Wofür steht eigentlich RSV?

Die Abkürzung RSV steht für Respiratorisches Synzytial-Virus. Dieser für Laien zunächst etwas kompliziert klingende Name beschreibt zwei zentrale Eigenschaften des Erregers: Er befällt vor allem die Schleimhäute des Respirationstraktes, also die Atemwege, wo er sich auch vermehrt; der Begriff „Synzytial“ beschreibt, dass das Virus benachbarte Zellen zu Riesenzellen verschmelzen lässt, die auch als Synzytien bezeichnet werden. Im weiteren Verlauf der Erkrankung führen abgestorbene Zellen, eingewanderte Abwehrzellen und Schleim dazu, dass sich die Atemwege verengen und verstopft werden. Dieser Zustand regeneriert sich jedoch im Verlauf von vier bis acht Wochen zumeist von alleine wieder.

Wie häufig kommt RSV vor?

RSV ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege. Wie die allseits bekannte Grippe treten auch RSV-Infektionen in jedem Jahr erneut auf. In Mitteleuropa ist die Anzahl von Neuerkrankungen von November bis April am höchsten. Der Höhepunkt dieser RSV-Saison liegt meist im Februar und dauert 4–8 Wochen. Eine genaue Vorhersage ist jedoch nicht immer möglich. So kam in der Vergangenheit auch bereits ein früher Saisonbeginn im September und Oktober vor. Umgekehrt gab es Jahre, in denen eine RSV-Welle nahezu ausblieb. Als Beispiel wäre hier die Saison 2020/2021 zu nennen. Durch die während der Coronaviruspandemie durchgeführten Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen breiteten sich auch die RS-Viren weniger aus. Mit Einführung der Lockerungen kam es allerdings im Anschluss zu einem übermäßig starken Anstieg der RSV-Infektionen, da das Virus hauptsächlich auf Menschen mit untrainiertem Immunsystem traf und sich daher besonders schnell ausbreiten konnte. 

 

Wer ist von RSV-Infektionen betroffen?

Grundsätzlich können RSV-Infektionen jeden treffen, ganz unabhängig von Alter und Geschlecht. Jedoch führen sie bei Neugeborenen, insbesondere Frühgeborenen, Säuglingen und Kleinkindern häufig zu deutlich schwereren Krankheitsverläufen als bei älteren Kindern und Erwachsenen. Letztere entwickeln in der Regel nur leichte, erkältungsähnliche Symptome oder die Infektion bleibt sogar unbemerkt.

Bei Säuglingen sind die Atemwege unterdessen noch relativ kurz und die RSV-Infektion kann deshalb leicht von den oberen auf die unteren Atemwege übergehen. Außerdem sind die Atemwege noch eng. Das bedeutet, dass bei Verkrampfung oder Verstopfung durch Schleim leichter Atemnot auftritt. Mit zunehmendem Alter und mit entsprechend zunehmender Größe der unteren Atemwege nimmt die Gefahr eines schweren Verlaufs ab.

RSV ist der am häufigsten nachgewiesene Erreger von Infektionen der Bronchien und der Lunge in den ersten beiden Lebensjahren. Bis zum Ende des 2. Lebensjahres haben nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht.

Wie wird RSV übertragen?

Die Übertragung von einer infizierten Person auf eine andere Person erfolgt vor allem über Tröpfcheninfektion. Dabei gelangen die Krankheitserreger, die im Rachenraum oder in den Atemwegen gebildet wurden, beim Husten, Niesen und Sprechen durch winzige Speicheltröpfchen in die Luft und werden anschließend von einem anderen Menschen eingeatmet. Die Viren können aber auch direkt über die Schleimhäute der oberen Luftwege aufgenommen werden, zum Beispiel bei einem Kuss. Auch eine indirekte Übertragung über Hände, Gegenstände und Oberflächen ist möglich.

Die in den Speicheltröpfchen enthaltenen Viren bleiben für

> bis zu 20 Minuten auf den Händen,
> bis zu 45 Minuten auf Papierhandtüchern und Baumwollkleidung und
> bis zu mehrere Stunden auf Kunststoffoberflächen ansteckend.

Zu beachten ist, dass auch Infizierte ohne jede Krankheitszeichen Überträger des Erregers sein können und zu einer raschen Verbreitung des Virus beitragen.

Das humane RSV vermehrt sich im Übrigen nur im Menschen und kann auch nur von Mensch zu Mensch übertragen werden. Haustiere können sich also nicht anstecken.

Wie ansteckend ist RSV?

Die Inkubationszeit, also der Zeitraum vom Eindringen der Erreger bis zum Auftreten der ersten Symptome, beträgt 2–8 Tage. Bereits einen Tag nach Ansteckung und somit noch vor Symptombeginn können Betroffene ansteckend sein. Infizierte mit gesundem Immunsystem sind in der Regel bis zu 8 Tage ansteckend. Frühgeborene, Neugeborene und Patienten mit geschwächtem Immunsystem können das Virus allerdings über mehrere Wochen ausscheiden.

Welche Risikogruppen gibt es?

Risikogruppen für schwere Erkrankungen durch RSV sind

> Frühgeborene (vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche)
> Neugeborene (bis zum vollendeten 28. Lebenstag) und junge Säuglinge (Beginn 29. Lebenstag bis ca. 6 Monate)
> Kinder mit chronischen Vorerkrankungen der Lunge (z. B. zystische Fibrose, angeborene Atemwegsanomalien)
> Kinder mit Herzfehlern
> Kinder mit Muskelschwäche
> Kinder mit genetischen Besonderheiten, wie z.B. Trisomie 21

Auch Erwachsene mit Vorerkrankungen der Lunge oder des Herzens sowie alle Patienten mit geschwächtem oder  unterdrücktem Immunsystem (zum Beispiel nach einer Organtransplantation oder Krebserkrankung) haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe einer RSV-Infektion.

Allgemeine Risikofaktoren für eine RSV-Infektion sind

> Mehrlingsgeburt
> Rauchen im Haushalt (Passivrauchen)
> Fehl- und Unterernährung (Beispiel: Vitamin-B12-Mangel bei Veganern)
> Familiäre Veranlagung für atopische Erkrankungen (z. B. Asthma, Neurodermitis, Heuschnupfen)
> Männliches Geschlecht
> Infektionsmöglichkeiten im frühen Säuglingsalter, wie bei Krippenbesuch, durch Geschwisterkinder im Kleinkindalter und bei engen Wohnverhältnissen

Welche Beschwerden verursacht RSV?

Eine Infektion mit RSV äußert sich in der Regel durch folgende erkältungsähnliche Symptome der oberen Atemwege:

> Schnupfen
> (Keuchender) trockener Husten
> Halsschmerzen
> Fieber

Besonders bei Säuglingen besteht die Gefahr, dass sich die Infektion der oberen Atemwege bis in die Bronchiolen (kleinste Bronchien in der Lunge) ausbreitet. Ihr Durchmesser beträgt weniger als einen Millimeter. Bei einer Infektion schwellen sie an und produzieren übermäßig viel Sekret, weshalb sie aufgrund ihrer geringen Größe schnell verstopfen. Die Ärzte nennen diese Erkrankungsform Bronchiolitis. Sie äußert sich durch

> zunehmend verschleimten Husten,
> eine sehr rasche Atmung, insbesondere
> durch eine erschwerte Ausatmung (die Ausatmungszeit ist deutlich verlängert)

Typisches Symptom der RSV-Bronchiolitis ist das sogenannte Giemen, ein pfeifendes Geräusch beim Ausatmen. Betroffene Kinder sollten unbedingt dem Kinderarzt vorgestellt werden.

Wird die Atemnot noch schlimmer, können die Kinder nicht mehr trinken. Dazu kann Erbrechen auftreten und eine Austrocknung die Folge sein. Betroffene Kinder müssen in jedem Fall im Krankenhaus behandelt werden.

Lebensgefahr tritt bei Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff ein. Die Kinder bekommen eine sehr blasse oder gar blaue Hautfarbe. Sie müssen notfallmäßig sofort ins Krankenhaus.

Welche Komplikationen können auftreten?

Mit Komplikationen ist vor allem bei Risikopatienten zu rechnen. Bestehen chronische Vorerkrankungen an Lunge oder Herz oder schwere neurologische Erkrankungen, können sie der Belastung durch eine RSV-Infektion schlechter standhalten. Außerdem besteht bei diesen Patienten, ebenso wie bei Personen mit geschwächtem Immunsystem, die Gefahr, an einer schweren Lungenentzündung zu erkranken.

Als Langzeitfolge einer RSV-Infektion kann es zu wiederkehrender Verengung und einer anhaltend erhöhten Reizempfindlichkeit der Bronchien kommen.

Eine häufige Komplikation der RSV-Infektion bei Kindern ist die akute Mittelohrentzündung.

Besteht Immunität nach durchgemachter Infektion?

Nein, eine Immunität besteht tatsächlich nicht. Eine erneute Infektion mit RSV ist möglich, da der menschliche Körper keine Langzeitimmunität aufbaut und es zudem verschiedene RSV Typen gibt.

Bei Kindern kommt es auch bei Reinfektionen häufig zu Erkrankungen der unteren Atemwege. Der Verlauf ist aber in der Regel milder als bei einer Erstinfektion. Bei Erwachsenen äußert sich die Reinfektion meist nur als unkomplizierter Infekt der oberen Atemwege oder verläuft sogar ohne Symptome. Bei engem Kontakt mit RSV-infizierten Kleinkindern können jedoch auch bei Erwachsenen grippeähnliche Symptome auftreten.

Eine durch RSV ausgelöste Erkrankung lässt sich nicht so einfach von anderen viralen Erkrankungen der Atemwege unterscheiden. Der Krankheitsverlauf entspricht meist dem einer Erkältung, was es oft schwer macht, das Virus zu erkennen. Zudem ähneln die Viren in zeitlichem Auftreten und Symptomatik der klassischen Grippe.

Sowohl das Lebensalter als auch entsprechende Symptome (vgl. oben: Beschwerden und Erkrankungen) können allerdings erste Hinweise auf eine RSV-Infektion geben. Zur Bestätigung der Diagnose muss jedoch der Erreger nachgewiesen werden. Dazu saugt der (Kinder-)Arzt Sekret aus dem Nasenrachenraum ab oder macht dort einen Abstrich.

Wie kann eine Infektion mit RSV behandelt werden?

Es gibt derzeit keine wirksame empfohlene antivirale Therapie gegen RSV und da es sich beim Erreger um Viren handelt, sind Antibiotika nicht wirksam.

Da eine ursächliche Therapie nicht möglich ist, kann lediglich symptomatisch behandelt werden.

Es sollte auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden, sodass der vorhandene Schleim leichter mobilisiert und das Abhusten erleichtert werden kann. Ebenfalls hilfreich können das Inhalieren von 3%-iger Kochsalzlösung zur Befeuchtung der Atemwege und Verflüssigung des Schleims, fiebersenkende Mittel oder Nasensprays/-spülungen sein.

Bei stark ausgeprägten Symptomen kann Cortison die Beschwerden und deren Dauer verringern. Ein entsprechendes Arzneimittel muss ärztlich verschrieben werden.

Je nach individuellem Zustand kann ein Krankenhausaufenthalt mit Sauerstoffgaben, Atemunterstützung oder eine Beatmung erforderlich werden.

Ab wann sollten Sie mit Ihrem Kind einen Arzt aufsuchen?

Ob es sich um eine klassische Erkältung oder eine RSV-Infektion handelt, ist für Eltern schwer zu unterscheiden. Bei Kindern und Schulkindern löst RSV in der Regel einen harmlosen Erkältungsinfekt aus, der sich mit den üblichen Mitteln gut behandeln lässt. Hier können die Eltern auch erst einmal abwarten und den Zustand ihres Kindes beobachten.

Bei zunehmendem Fieber und Husten, pfeifenden Atemgeräuschen (Giemen), unregelmäßiger Atmung oder längeren Pausen beim Luftholen sollten Sie aber dringend einen Kinderarzt aufsuchen. Besondere Vorsicht ist bei Säuglingen geboten, sie sollten vor allem in den ersten 3 Monaten auch bei einem harmlosen Infekt immer ärztlich untersucht werden.

Auf einen Blick:

Wann Sie mit Ihrem Kind zum Kinderarzt gehen sollten!

♦ Auffällige Atmung: pfeifende Geräusche, schnell und angestrengt (Atemnot), unregelmäßig (z. B. längere Atempausen)
♦ Hohes Fieber (> 39 °C)
♦ Anhaltendes Fieber (3–4 Tage) und Trinkunlust
♦ Zunehmender Husten
♦ Plötzliche Verschlechterung des Allgemeinzustandes
♦ Säuglinge < 3 Monate

Kann man gegen RSV impfen?

Bislang ist kein Impfstoff zur aktiven Immunisierung (wie z.B. gegen Masern) zugelassen. Schwere Krankheitsverläufe durch RSV können allerdings durch Injektion des Antikörpers Palivizumab verhindert werden. Bei dieser sogenannten passiven Immunisierung binden die verabreichten Antikörper die Viren und machen sie unschädlich. Der Schutz durch Palivizumab ist allerdings zeitlich begrenzt, da es vom menschlichen Körper abgebaut wird.

Diesen Antikörper erhalten nur Kinder, die zu besonders gefährdeten Risikogruppen gehören. Für Kinder, die zu Beginn der RSV-Saison älter als 2 Jahre sind und für Kinder ohne erhöhtes Risiko für eine schwere RSV-Erkrankung ist die Impfung nicht vorgesehen.

Bei einer Indikation sollte eine erste Injektion vor dem Beginn der RSV-Saison (November) erfolgen. Vier weitere Dosen werden dann jeweils im Abstand von einem Monat verabreicht.

Wie kann man sich vor Ansteckung schützen? 

Die einfachste Methode zur Vorbeugung von RSV-Infektionen, wie auch gegen Corona-, Grippe- und Erkältungsinfektionen, sind Hygienemaßnahmen. Dazu gehören:

> Regelmäßig und gründlich für mindestens 20 Sekunden Hände waschen
> Husten und niesen in die Armbeuge
> Verwendung von Einmaltaschentüchern, anschließend Händewaschen/-desinfektion
> Geschirr und Besteck nicht mit anderen teilen
> Häufig berührte Oberflächen und Gegenstände (z.B. Kinderspielzeug, Bettgitter, Tische, Mobiltelefone etc.) während der Zeit der akuten Infektion desinfizieren

Gegen RSV wirksame Desinfektionsmittel sind mit „begrenzt viruzid“ gekennzeichnet.

Weitere Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen sind die Vermeidung von Menschenansammlungen (vor allem in der RSVSaison) und die strikte Meidung von Tabakrauch. Stillen reduziert grundsätzlich das Infektionsrisiko, weil über die Muttermilch schützende Antikörper der Mutter auf den Säugling übertragen werden.

Insbesondere Risikokinder sollten Abstand halten zu Personen mit erkältungsähnlichen Symptomen.

Zu empfehlen ist außerdem, alle empfohlenen Impfungen wahrzunehmen. Das gilt auch für weitere Haushaltsangehörige (Eltern, Geschwister).

Welche Maßnahmen sind bei einer RSV-Infektion zu treffen?

Liegt eine nachgewiesene RSV-Infektion vor, sollten betroffene Kinder während der Ansteckungsfähigkeit Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Krabbelgruppen) nicht besuchen.

Ein echtes Besuchsverbot für Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß Infektionsschutzgesetz allerdings nicht, ebenso keine krankheits- und erregerspezifische Meldepflicht. Dessen ungeachtet gelten die oben beschriebenen Hygienemaßnahmen natürlich immer, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Wir danken dem Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. med. Johannes Forster aus Merzhausen für die fachredaktionelle Unterstützung bei der Erstellung dieses Ratgebers.

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Broschüre einen Überblick und viele hilfreiche Tipps für den Umgang mit Allergien geben konnten.

Falls Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihren Arzt oder Apotheker.